Der zweite Tag stand so ein bisschen im Zeichen der Plakette, die auf einer der Bänke neben dieser Dame am Eingang zum Viertel der Toleranz angebracht war. Fokus sollte das jüdische Leben der Stadt damals und heute sein. Mit dem Heute war es allerdings schwierig: aufgrund der aktuellen Ereignisse in Israel und der Region war die Synagoge für Besucher geschlossen und auch der Vertreter der jüdischen Gemeinde, mit dem wir ein Gespräch führen sollten, stand nicht zur Verfügung. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich denke, das hat uns alle enttäuscht; für mich wäre es mit das Highlight dieser Reise gewesen.
The plaque on one of the benches next to this lady at the entrance to the „Neighborhood of Tolerance“ is a good description of what this day was supposed to be about, with a clear focus on Jewish life in the city then and now. Unfortunately, due to the current developments in Israel and beyond, it was more about the then than the now as the synagogue was closed for visitors and the representative of the Jewish community who we were supposed to talk with also cancelled the meeting. I can only speak for myself but I think we were all very disappointed; I had expected this to be one of the highlights of the trip.
Wir haben dann erstmal mit der Elisabethkirche in direkter Nachbarschaft zum Hotel begonnen. Auf dem Vorplatz das Denkmal für Dietrich Bonhoeffer, im Widerstand aktiver lutherischer Theologe, der 1906 in Breslau geboren und in April 1945 im KZ Flossenburg hingerichtet wurde. Die Kirche ist eine katholische Garnisonskirche (war zwischenzeitlich etwa 400 Jahre evangelisch) und hat nach dem Krieg drei Brände durchstehen müssen – der letzte 1976, der die Innenausstattung, inkl. einer beeindruckenden Barockorgel, buchstäblich in Rauch aufgehen ließ. Die neue Orgel wurde 2022 eingeweiht. Mich haben allerdings vor allem die Fenster fasziniert.
We started out with Elisabeth Church, located practically next to the hotel. The statue on the square honors Lutheran theologian Dietrich Bonhoeffer, born in Breslau in 1906, executed at the Flossenburg concentration camp in April 1945 for being part of the resistance. The church today is Catholic (after being protestant for about 400 years) and saw three major fires after WWII – the interior literally went up in smoke with the last one in 1976. That included an impressive baroque organ – the new one was inaugurated as recently as 2022. I was particularly drawn to the windows, though.
Dann wurde es wieder städtebaulich – wir waren auf den Spuren der jüdischen Kaufhäuser, von denen es ca. 90 gegeben hat. Die Gebäude sind echte Hingucker… besonders, wenn man den Blick nach oben richtet. Es sind unglaublich viele Details zu entdecken und ich musste wieder lange mit mir ringen, was ich zeige und was rausfallen muss (ja, dieser Beitrag wird noch mehr Fotos haben, als der erste). Das Eckhaus unten ist das Kaufhaus Victoria, 1900 erbaut.
And then we went into urban design again – checking out some of what once were about 90 Jewish department stores. The buildings are real eyecatchers… but you have to look up to really see. There are so many details to discover and again it took me a very long while to decide which pictures to include and which to leave out (yes, this post will have even more pictures than the previous one). The corner building below is the Victoria department store, built in 1900.
Vielleicht mein Favorit: das Schlesinger und Grünbaum Bekleidungsgeschäft von 1901, hochmodern mit der kompletten Glasfront, die durch den Bau mit Stahl möglich wurde. Das Design würde heute aufgrund von Brandschutz-/Bauordnungen nicht mehr zugelassen, da die Front nun mit Mauerwerksstreifen unterbrochen sein müsste, um Brandüberschläge zu verhindern.
Maybe my favorite: The Schlesinger & Grünbaum Clothing Store from 1901, state-of-the-art design with its complete glass front – a feature that has been possible only since steel entered the scene as a building material. Today you wouldn’t get a permit for that anymore as the front would have to be „broken up“ by masonry in order to avoid flashover fire from one floor to the next.
Und dann habe ich mich in alter Geografenmanier durch die geöffnete Tür ins Erdgeschoss begeben und festgestellt, dass ich für meinen Flur nach der Renovierung doch länger nach der passenden Decekenleuchte hätte suchen sollen:
And then I used the geographer’s approach and sneaked into the building to find out that maybe I should have been more patient and spent some more time finding the new lamp for my recently renovated staircase:
Ziemlich abstrus wirken die Bullen(?)schädel über den Rundbogenfenstern sowie die Steinbock(?)schädel an den Seiten der Gaube im Zusammenspiel mit den floralen Mustern am Wohn- und Handelshaus von Wilhelm Kijnast (1902)… Irgendwie denke ich Texas.
Bull (?) skulls above the arched windows and ibex (?) skulls on the sides of the dormer feel a little weird in combination with the floral designs on this dwelling and trading house of Wilhelm Kijnast (1902)… Texas comes to (my) mind.
Die Kaufhäuser waren so erfolgreich als Geschäftsidee, weil zum ersten Mal Waren zu fixen Preisen angeboten wurden. Zwar musste man sofort zahlen, aber dadurch, dass die Kaufleute mehr direkt bei den Produzenten einkauften und durch schnellen Abverkauf nur kleinere Lagerkapazitäten haben mussten, konnten die Preise niedrig(er) gehalten werden – was auf Seiten der Kunden den Nachteil der sofortigen Bezahlung aufwog. Unten mal ein direkter Vergleich Originalzustand und heute am Beispiel des „Feniks“ der Gebrüder Barasch von 1904. Die Weltkugel ist nicht den Kriegswirren zum Opfer gefallen, sondern wurde bereits im Rahmen von Vorkriegsrenovierungsarbeiten abgebaut.
Part of the success story of all these department stores was that they were based on a new business idea: sale at fixed prices. The downside was that you had to pay at the time of purchase (unheard of) but as the traders bought directly at the producers‘ and fast turnaround of goods meant that storage capacities could be kept to a minimum, they were able to offer better prices. And it turned out that the customers went for that. For a direct comparison of then and now, have a look at the building of the Barasch Brothers, the „Feniks“ of 1904, below. The globe did not fall victim to the war but was in fact already removed during pre-war renovation works.
Ein Haus muss ich euch noch zeigen, komplett anders, das Kaufhaus Rudolf Petersdorff von 1927/28, designed von Erich Mendelssohn:
There’s one more building you need to see, a very different design: the Rudolf Petersdorff department store from 1927/28, designed by Erich Mendelssohn from Berlin:
Zur Mittagspause waren wir dann in einem jüdischen Restaurant in der Nähe der Synagoge, die sich im Hinterhof dieses gelben Gebäudekomplexes befindet.
We had our lunch at a Jewish restaurant near the synagogoue which is located in the courtyard of this yellow building.
Von dort fuhren wir dann zum einzig verbliebenen alten jüdischen Friedhof in Wroclaw. Alte Friedhöfe finde ich immer sehr interessant, vollkommen unabhängig von der Religion. Dieser hat einerseits etwas sehr verwunschenes mit den überwucherten Grabstätten usw., andererseits lag er im Frühjahr 1944 in der russischen Angriffsschneise – es gibt unzählige Einschusslöcher (in der dritten Kollage kann man das sehen).
From there we continued to the one old Jewish cemetery that is left in Wroclaw. I always find old cemeteries, regardless of the denomination, hugely interesting. On the one hand, this one has an enchanted feel to it with all the ivy and other plants regaining control, but on the other hand you can still very clearly see that it wasn’t spared during the Russian advance in spring 1944 – there are innumerable bullet holes (you can see an example of that in the third collage below).
Der älteste jüdische Grabstein der Stadt ist datiert auf 1201. Die „offizielle Erlaubnis“ zur Ansiedlung erteilte Friedrich der Große im 18. Jh., der im Blick hatte, dass jeder Untertan/Bürger auch ein Steuerzahler ist. Die in Breslau ansässigen Juden können als im Rahmen der Haskala „aufgeklärte“ Juden bezeichnet werden:
„Ihre Anhänger, die Maskilim, wollten der kulturellen und gesellschaftlichen Isolation der jüdischen Gemeinschaft ein Ende setzen. Sie plädierten für die Aneignung von Bildung und weltlichem Wissen – ein Weg, den sie selbst bereits erfolgreich beschritten hatten. Das traditionelle Judentum versuchten sie mit der modernen Kultur ihrer Zeit in Einklang zu bringen. Dabei betonten sie diejenigen Elemente der jüdischen Tradition, die Judentum und Christentum gemeinsam waren: Sie gaben der Bibel und dem biblischen Hebräisch den Vorrang vor dem Talmud.“
The oldest Jewish gravestone in the city dates back to 1201. The „offical permit“ to settle was granted only by Frederick the Great (who realized that every subject/citizen is a tax payer) in the 1700s. The Jewish community in Breslau can be called „enlightened“ as per the Haskalah movement:
„Its followers, the maskilim, wanted to put an end to the cultural and societal isolation of the Jewish community. They called on Jews to educate themselves and acquire secular knowledge a path that they had successfully taken themselves. They attempted to reconcile traditional Judaism with the modern culture of their age. In addition, they emphasized the elements of Jewish tradition that Judaism and Christianity had in common, giving the Bible and biblical Hebrew priority over the Talmud.“
Wir haben auch einiges über die Symbolik auf jüdischen Friedhöfen erfahren. Beispielsweise stehen Grabsteine, die wie abgeschlagene Baumstämme aussehen, dafür, dass jemand aus der Mitte des Lebens gerissen wurde. Ähnlich eine erlöschende, umgeknickte Kerze als Gravur auf einem Grabstein.
We also got to some about the symbols on Jewish cemeteries. For example, gravestones in the shape of tree trunks, cut off in the middle, point to a life taken too soon. The same goes for a broken candle with a flame that was just extinguished, as an engraving on a headstone.
Wieder ein abwechlungsreicher Tag und es wird immer klarer, mit welch einem Juwel an Reiseführerin wir ausgestattet sind.
Another varied day and it becomes ever so obvious that we are treated to a gem of a guide.
Barbara