Tee mit Aussicht / Tea with a View

Am letzten Abend in Dohuk, nach einer vertrackt anstrengenden, aber auch wunderbaren zweiwöchigen Dienstreise, bin ich mit zwei Kollegen noch schnell auf „den“ Berg (als gäbe es hier nur den einen…), um den Tag bei einer Tasse Tee im Sonnenuntergang ausklingen zu lassen.

On my last night in Dohuk, after a very challenging but also truly wonderful two-week mission, I went to „the“ mountain (as if there were only that one…) with two colleagues to enjoy the sunset over a cup of tea – to chill!

Es ist ein beliebter Platz für alle, aber richtig voll war es nicht – wahrscheinlich in Erwartung des beginnenden Ramadans. Den Weg nach oben hätte ich lieber zu Fuß gemacht. Einerseits, um endlich mal etwas Bewegung zu haben (ich freue mich schon sehr auf mein Fahrrad), andererseits, um alle paar Meter stehen bleiben und schon wieder was fotografieren zu können. Zum Beispiel den Blick auf den Stausee des Mosul Damm (der eigentlich noch besser wurde – aber man will ja nicht ständig wieder anhalten… schließlich wartete der Sonnenuntergang ja nicht auf uns).

It is a very popular place but it wasn’t crowded – maybe because it was the night when ramadan started. I would have preferred to walk up there, even if it had taken me all afternoon. On the one hand, I was longing for some exercise (I’m really looking forward to having a bike at my disposal again), and on the other hand so that I could stop stop and linger every few meters, taking in the landscape and taking pictures. The view of the lake created by the Mosul Dam for example (which got to be better than this – but I didn’t want to stop and get out all the time … the sunset was not waiting for us to arrive after all).

Das Licht war wirklich ausgefallen: erstens die untergehende Sonne, dann Staub in der Luft – und der Berg war quasi die Wetterscheide zwischen Sonne und Gewitterwolken. Über den Bergen auf der anderen Seite von Dohuk, oder auch dahinter, ging viel Regen nieder und wir konnten die Blitze beobachten.

The light was really unsual: first of all the setting sun, and then lots of dust in the air – and it seemed like the mountain was like a meteorological divide between sun and a thunderstorm. Looking at the mountains on the other side of Dohuk – or maybe even beyond – we saw lots of rain coming down and watched the lightning.

Oben angekommen war die Auswahl an bunten Sitzmöglichkeiten aus Plastik, die auf dem Berg verteilt waren, schier unendlich und Tee gab es zur Genüge. Im Angebot für den schnellen Hunger: Bohneneintopf. Aber den haben wir uns für das nächste Mal aufgehoben. Und was ist ein geruhsamer Abend ohne eine Shisha?

When we reached the top, there were red and green plastic chairs all over the place, ready to welcome us. And of course there was lots of tea! If you are in need of a snack: have some of the bean soup on offer. We skipped it and decided to try that next time. And it wouldn’t be a perfect night without a shisha, would it?

So eine „Luftaufnahme“ könnte ich immer stundenlang begutachten – und in Ermangelung einer Drohne ist so ein netter Ort mit Tee und Gesprächen doch Gold wert. Eigentlich… es muss beides geben – die Gemütlichkeit kann eine Drohne ja gar nicht bieten! Langsam wurde es auch dunkel und die Verkehrsströme deutlicher sichtbar – wie auch das beleuchtete Riesenrad im Mazi Vergnügungspark.

Aerial views are the best, I could spend hours taking in the details – and still not in possession of a drone a nice place like this with tea and talk is the perfect alternative. Actually… it would have to be both: there’s no way a drone could create this kind of „gemutlichkeit“. It slowly got dark and the traffic arteries became clearly visible – as did the brightly lit ferris wheel at the Mazi amusement park.

Direkt gegenüber der goldenen Moscheekuppel liegt übrigens das Büro. Die Moskitos begannen, uns aufzufressen und ein bisschen frisch wurde es auch, und so ging es dann quasi mehrfach gechillt wieder nach Hause.

Our office, by the way, is located right across from that mosque with the golden cupola. The mosquitoes were eating us alive and it got a bit nippy, too, so that we went back home, „chilled“ in more than one meaning of the word.

Barbara

Grünes Kurdistan / Green Kurdistan

Zurück im irakischen Kurdistan – und gerade noch rechtzeitig, um die Gegend mal grün und nicht total ausgetrocknet zu erleben. Dieser Wunsch muss den Wettergott bewegt haben, Mitte Mai noch mit Temperaturen zwischen 20 und 23 Grad daherzukommen, wo hier eigentlich 40 Grad und Klimaanlagen angesagt sind. Einerseits schön, leider geht das aber auch mit täglichem Regen einher, teilweise in solchen Massen, dass dabei auch Leute umgekommen sind. Aber alles mögliche ist hier erntereif oder kurz davor: Zwiebeln, Kartoffeln, Rhabarber… das Getreide scheint auch nicht mehr allzu lange zu brauchen. Ob die Kirschen, die ich gegessen habe, tatsächlich von hier waren, konnte ich nicht ergründen – aber sie waren lecker.

Back in Iraqi Kurdistan – and just in time to see it in green and not totally parched. This wish on my part must have inspired the weather Gods to wreak a little havoc with the weather here: mid May at 20 to 23 degrees C is unheard of when it should be 40 with ACs running 24/7. On the one hand, that’s pretty comfortable, but on the other hand, this comes with lots of rain, sometimes causing flash floods with fatalities. But all kinds of vegetables are (just about) ready for harvesting: onions, potatoes, rhubarb… cereals may need a little longer still. I don’t know whether the cherries I had were from here but they were very good.

Neben der Arbeit spielt wie gesagt das Wetter auch nicht mit (vorzugsweise schüttet es am späten Nachmittag und Abend), so dass ich einen ziemlich kleinen Bewegungsradius habe. Aber selbst auf dem morgendlichen Spaziergang zum Büro kommt man an diversen, oft liebevoll gepflegten Gärten vorbei. Schade nur, dass mein Kurdisch noch nicht für ein Schwätzchen reicht… Am Donnerstagabend, vor dem Wochenende also, war ich auch ein bisschen an, sagen wir mal: Stuttgart erinnert. Vor ausnahmslos jedem Haus wurde gekehrt, die Rinne gesäubert und aufgeräumt. Kein Pardon.

In addition to having to work, the rains, which usually come in the late afternoon and evening, rather limit my excursions. But the morning walk to the office takes me past a few often lovingly looked after gardens. Such a shame that my non-existent Kurdish keeps me from chatting with the owners who are sometimes there as well. On Thursday evening, which is right before the weekend, I was somewhat reminded of, say… Stuttgart [which is known for rigid cleaning traditions]. There was street sweeping and gutter cleaning going on in front of literally every house.

Die Strecke von Erbil nach Dohuk haben wir übrigens auf einem anderen Weg zurückgelegt als noch vor knapp zwei Jahren – da ist mittlerweile eine Brücke rehabilitiert worden. Oder sagen wir so: soweit zusammengeflickt worden, dass man darüber fahren kann. Sie lädt auf jeden Fall zur sogenannten „Brückenpause“ ein, denn auf der einen Fahrbahn sind Stände aufgebaut: Fischverkäufer, Teehäuser und anderes mehr. Die Kollegin warnte mich glücklicherweise früh genug: „Bloß nicht umrühren, sonst kann man den gar nicht mehr trinken!!“ Geschätzte zwei Esslöffel Zucker auf einen großen Schluck Tee.

We went from Erbil to Dohuk on another road than when I was here last almost two years ago – in the meantime, a bridge has been rehabilitated. Or let’s put it this way: patched together to make it somewhat passable. Anyhow, it is a welcome stop for what has come to be called the „bridge break“, as one lane serves as a service area with tea houses, a fish shop and others. My colleague luckily wanred me in time: „Do not – under no circumstances! – stir or you really can’t drink that tea!“ It must have been about two table spoons of sugar in not much more than one large sip of tea.

Nun haltet einen Moment inne und stellt euch noch vor, dass euch – nicht hier, aber an anderer Stelle – zu diesem Tee noch folgendes Dessert-Buffet präsentiert wird. Ich höre meine Zähne quasi schreien – bzw. die Bauchspeicheldrüse „Insulin! Insulin! Mehr Insulin!“ japsen.

Now pause for a moment and imagine that you will be offered – not here, but other places – a dessert buffet like the following to go with that tea. I can practically hear my teeth scream – or the pancreas gasping „Insulin! Insulin! More insulin!“

Aber vielleicht wird es auch gerade ein bisschen spät… Gute Nacht und bis bald aus Kurdistan!

But maybe it is just getting a little late… Good night and bye for now from Kurdistan!

Barbara

A Week in… KURDISTAN (Part 3)

SIN7
Schilder, die vor Regen und Schnee warnen, erscheinen bei den meist bis zu 45°C wahnwitzig… wie auch die gefühlt alle 200m aufgestellten Überholverbotsschilder – entlang einer Strecke, auf der nicht viel anderes getan wird, als zu überholen. Heute möchte ich einfach noch ein paar weitere Schnappschüsse mit – für mich – wundersamen Motiven präsentieren. So auch der Wasserhahn, bei dessen Nutzung einem nichts anderes übrig bleibt, als das Wasser überall hin zu verteilen, nur nicht (direkt) ins Waschbecken.

Signs warning of rain and snow seem almost crazy while it’s 45°C outside… then there are also the no passing signs, which are put up about every 200m (it feels) – along a road where nothing much happens other than crazy passing maneuvers. Today I would like to share a few snapshots of curious things – curious to my eye, that is. Like the faucet which makes sure that during use you have to splash water just about everywhere but (directly) into the sink.

DOH1

Wohin die Menschen hier Beziehungen haben – wo sie vielleicht schonmal gelebt haben, wo vielleicht ein Familienmitglied wohnt oder wo man unbedingt mal hin möchte – sieht mal hier ziemlich häufig an den Namen von Hotels und Restaurants, sei es das KÖLN REST[aurant], das MÜNCHEN REST[aurant], das HOTEL KARLOVY VARY, das HOTEL HEIDELERG oder das CAFE ESKILSTUNA, das es auch schon in die schwedische Zeitung Dagens Nyheter geschafft hat. Oder eben:

You can often see which places play important roles in people’s lives – maybe where they have once lived, where parts of their families live or where they would like to go some day – as the names of restaurants and hotels, be it the KÖLN REST[aurant], the MÜNCHEN REST[aurant], the HOTEL KARLOVY VARY, the HOTEL HEIDELBERG or the CAFE ESKILSTUNA, which has also made into the Sedish print media. Or:

DOH2

Mein absolutes Highlight war allerdings die Speisekarte in einem Restaurant. Die meisten werden das kennen, wenn man im Urlaub schonmal komische Übersetzungen findet – wo man jedoch allerallermeistens erahnen kann, was gemeint ist. Das war hier nicht so. Bei den Vorspeisen war schnell klar, dass ich mich mit dem „Soda problem“ nicht auseinandersetzen wollte – und die „Potato Mtefaah (acid and Tom)“ erschien mir auch als zu großes Risiko. Bei den Hauptgerichten vermuteten wir hinter „Chinese meat“ vielleicht Hund… und der „Frying chicken torrent“ schien uns zu umfangreich. Dass „Authorities“ die Salate sind, konnten wir auch nur aus dem Zusammenhang erschließen – wie da „Milk and Option“ aussehen… wir wissen es nicht. Das „Cheese rudder problem“ hingegen stellte ein wirkliches Problem dar.

The highlight was the menu in a restaurant. Most of you have probably seen a few strange translations in menus somewhere on vacation – but usually you still at least have a little idea of what it could be. That wasn’t always the case here. When it came to appetizers I really didn’t want to deal with the „Soda problem“ – and the „Potato Mtefaah (acid and Tom)“ somehow seemed too risky, too. Of the main dishes we ruled out „Chinese meat“, suspecting dog… and we just weren’t hungry enough for the „Frying chicken torrent“. The context helped explain that „Authorities“ are salads – but what „Milk and option“ look like… we don’t know. The „Cheese rudder problem“ posed a real problem, though.

DOH4

Als es dann auch noch „Problem grills“ zur Auswahl gab, lag die Vermutung nahe, dass vielleicht der Koch nicht besten Tag hat? „Chicken ghost“ hebe ich mir wohl einfach für Halloween auf.

When another choice was „Problem grills“ we assumed that maybe the cook just wasn’t having a good day? I will reserve „Chicken ghost“ for Halloween.

DOH3

Einen guten Start in die Woche wünscht

Have a good start into the week!

Barbara

A Week in… KURDISTAN (Part 2)

SIN5
Einen Tag ging es „ins Feld“ – immer das Highlight einer jeden Dienstreise. Das Hochgefühl erfuhr dann jedoch auf einem Streckenabschnitt eine leichte Dämpfung. Auf einer knapp bemessenen einspurigen Straße findet hier der Warenverkehr von der Türkei in den Irak statt – wir fahren gen Norden, auf der gut erhaltenen Seite. Auf der Gegenspur fährt man wie auf einem überdimensionierten Wellblech, weil viel zu große, viel zu schwer beladene LKW einer am anderen die von der Hitze aufgeweichte Straße in Form gematscht haben. Auf dem Rückweg sind sie leer, oder zumindest sehr viel leichter, so dass die Spur in halbwegs gutem Zustand bleibt. Der Slogan vom Warenverkehr, der auf die Schiene soll, bekommt eine ganz neue Bedeutung. Halsbrecherische Überholmanöver verlangen dem Fahrer alles an Konzentration ab – und ein unerwartetes Ausmaß an Geduld, sich dem Wahnsinn nicht anzuschließen. Ein Dank an Rosh.

One day was a day „in the field“ – always the highlight of every business trip. The feeling of elation was dampened on one stretch of the trip, though. A narrow one-lane road is the only way for cross-border trade between Turkey and Iraq in that region – we are headed North, on the „good“ side of the road. The oncoming traffic drives on what looks like a giant corrugated sheet, shaped by too many, too large and too heavy trucks on hot asphalt. On their way back they’re empty or at least a lot lighter so the road remains more or less intact. There are constant passing maneuvers, often at breakneck speed and with insufficient vision – the driver is highly focused and surprisingly patient, not being drawn into the frenzy. A thank you to Rosh.

SIN11

Es reichen einige Kilometer Fahrt, um zu klären, dass die Lage hier zwar soweit ruhig, aber unter stetiger Beobachtung ist. Gefühlt alle zwei Kilometer kommt man an einen Checkpoint: Peshmerga in Tarnanzügen und Sicherheitswesten halten jedes Fahrzeug an. Das geht immer anstandslos, kein Problem bei der Gesichtskontrolle. Der Fahrer wechselt ein paar Worte, hilfreich dabei auch der am Rückspiegel baumelnde Rosenkranz. Wer hätte das gedacht: Christen werden hier als neutral betrachtet – da ist es dann von Vorteil, das im wahrsten Sinne des Wortes raushängen zu lassen. An einem Checkpoint verstehe ich nur das kurdische Wort für Deutschland (sowas wie almani), worauf der Soldat sich grinsend ins Fenster beugt und fragt „Wie geht’s?“ Verdattert kriege ich noch ein „Gut – und selbst?“ raus und es geht schon weiter.

A few kilometers into the trip are enough to realize that the situation may be calm but is constantly monitored. At what feels like every other kilometer there is a checkpoint: peshmerga in camouflage gear and bullet-proof vests stop every car. We always pass without a problem. The driver chats a bit and the rosary dangling from the rearview mirror helps, too. Who would have thought: Christians are considered to be neutral in these lands – and it pays to show. At one of the checkpoints all I understand of the exchange is the Kurdish word for Germany (something like olmanee) which prompts the soldier to lean into the car, smiling and inquiring (in German): „How are you?“ I was totally baffled and barely managed to stammer „Good – how about you?“ and on we went.

SIN1

Schon aus dem Flugzeug und auch auf der Fahrt von Erbil nach Duhok konnte man abgeerntete Weizenfelder sehen, soweit das Auge reichte. Und diese LKWs stehen nicht direkt im Stau. Die sind randvoll mit Weizen. Und stehen da und warten. Hunderte. Ich möchte fast sagen tausende. Unfassbar. Es heißt, der Weizen findet wegen der Krise keine Abnehmer. Die Welt ist verrückt – aber kann das wahr sein? Allein die Tatsache, dass diese ganzen LKWs nicht anderweitig genutzt werden können… noch die Betrachtung der Fotos lässt mich mit offenem Mund dasitzen. Könnt ihr mittig auf der Kollage unten sehen, wie weit sich diese Schlange (eine von vielen) durch die Felder streckt?

It was easy to see from the plane already and then to the left and right of the road from Erbil to Duhok that there were harvested wheat fields as far as the eye could see. And these trucks are not really part of a traffic jam. They are loaded to capacity with wheat. They just stand there and wait. Hundreds. I’m tempted to claim: thousands. Incredible. It’s said that there are no buyers, due to the crisis. The world has gone mad – but can this be real? Just the fact that all these trucks can’t be used for anything else is enough to blow my mind… just looking at the pictures now leaves me sitting open-mouthed. Have a look at the center image of the collage below: can you make out just how long this line (one of many) stretches through the fields?

SIN2

Die Gegend wird einsamer, alles flimmert bei den wieder so um die 45°C, dazu kommt starker Wind, man sieht mehrere staubgeladene Windhosen in der Ferne – und direkt über die Straße werden distelartige Büsche und Kleinkram geweht… irgendwie hat es was vom wilden Westen. Die Zahl der Checkpoints steigt an, es sind aber auch so Verschläge auf einem am Straßenrand aufgeschütteten Hügel, auf dem ein zum Schutz gegen den heißen Wind vermummter Soldat sitzt, die Stellung hält und Richtung Syrien guckt. „Das da hinten sind syrische Dörfer,“ werde ich informiert – nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt.

The farer from Duhok we get, the less populated the landscape. The temperature is about 45°C again, things get hazy, there’s a strong wind and I see a few dust-laden vortexes in the distance – thistle-like bushes are blown across the road… it has a Wild West feel. The number of checkpoints is increasing but some of them are just little huts on small man-made hills by the road-side, manned by a soldier holding the position, their faces covered with shawls to protect against the heat, looking across the plain towards Syria. “Those are Syrian villages over there,” I’m told – only a few kilometers as the crow flies.

SIN4

Zerstörte Häuser, ein zerbombter Krankenhausrohbau, ganze Dörfer platt gemacht. Unwirklich. Zehn, fünfzehn Meter rechts der Straße zieht sich über Kilometer ein jetzt unbemannter Schützengraben. Bizarr. Bizarr, aber irgendwie nicht bedrohlich. Trotzdem stellt sich die Frage, wie man Leute bewegen soll, sich hier wieder anzusiedeln? Wo oft einfach nichts mehr ist und womit wahrscheinlich furchtbare Erinnerungen verbunden sind. Ist das realistisch? Wenn man es nach wochen- oder monatelanger, gefährlicher Reise endlich nach Europa geschafft hat? Wenn man in einem Zelt oder einem Container in einem Flüchtlingslager in der Mitte von nirgendwo wohnt? Oder schlimmer noch: in einer „wilden Siedlung“ am Fuß des Sinjar-Gebirges?

Destroyed houses, a bombed out unfinished hospital, whole villages reduced to rubble. Unreal. Ten, fifteen meters to the right of the road there’s the trench, for kilometers on end. Bizarre. Bizarre, but somehow not threatening. And still I wonder how you want to persuade people to move back here? Where more often than not there’s nothing left and where probably horrendous memories lie buried? Is that realistic? If you’ve finally made it to Europe, after weeks or months on the road, facing all kinds of dangers. If you live in a tent or caravan in a refugee camp in the middle of nowhere? Or worse: in a “wild camp” at the foot of the Sinjar mountains?

SIN10

SIN12

SIN3

Aber dann der Ort, in dem es losgehen soll, Sinuni. Breite Straßen. Eine Art Allee, statt baum- laternenbestanden, die auf dem Weg war, eine Prachtstraße zu werden. Leider fehlt ihr unter anderem noch der Asphalt. Ja, auch Trümmer, Stacheldraht – aber bei weitem nicht überall. Es gibt ein kleines Zentrum, wo das Leben schon jetzt wieder losgeht: es gibt kleine Läden, mit Bergen an Gurken, Auberginen, Feigen, Zwiebeln, Tomaten. Gasflaschen. Wasser und Softdrinks. Kochgeschirr, Plastikeimer und -schüsseln. Kekse und Reis. Und viel mehr. Bei der untenstehenden Ansammlung ging mir der absurde Gedanke durch den Kopf, dass hier ein Reparaturcafé sicher gut besucht wäre.

But then there’s the town from where all this will be started, Sinuni. Broad roads. A kind of avenue, lined by fancy streetlights instead of trees, which was on its way to becoming a boulevard. Unfortunately, the asphalt is still missing, among other things. Yes, rubble and barbed wire, too – but far from everywhere. There’s a small center to which life has returned over the past months: there are little shops with heaps of cucumbers, egg plant, figs, onions, tomatoes. Gas canisters. Water and soft drinks. Cooking pots, plastic buckets and bowls. Cookies and rice. And much more. The collection below caused the absurd thought that a repair café would probably draw quite an audience here…

SIN13

SIN14

Da glauben also Leute daran, dass das klappen kann. Auch wenn hier und da noch Maschinengewehre griffbereit im Wohnzimmer stehen. Möge es also ruhig bleiben, auf dass die wieder eingemottet werden können.

Apparently, there are people who believe that this will work. Even if you can still chance upon a machine gun ready to hand in a living room. So may it stay calm for them to be mothballed again soon.

Barbara

A Week in… KURDISTAN (Part 1)

KRI1

„Wohin geht’s?“ fragte der freundliche Taxifahrer um kurz vor 4 Uhr morgens, „nach New York?“ – „Nein, nach Erbil,“ antwortete ich und er war erstaunt: „Wo ist das denn?“ Das ist im Irak, genauer gesagt in der Kurdistan Region of Iraq im Norden – ich bin endlich mal wieder dienstlich unterwegs. Es stellte sich heraus, dass der Taxifahrer aus Afghanistan kam und die restlichen 15 Minuten Strecke habe ich erfahren, wie der Präsident damals zu Zeiten der Mujaheddin dafür sorgte, dass die Hochzeit des jungen Juristen trotz aller Widrigkeiten stattfinden konnte.

“Where are you headed?“ the taxi driver wondered at almost 4 am, „New York?“ – No, to Erbil,“ I said and he was surprised: „Where is that?“ That’s in Iraq, the Kurdistan Region of Iraq in the North, to be precise – finally I’m on a business trip again. It then turned out that the taxi driver was from Afghanistan and the remaining 15 minutes of the ride were spent with the story of how the president back in the mujahiddin days made sure the young lawyer was back home in time for his wedding, against all odds.

KRI3

Wie ich schon beim Besuch in der Türkei vor zwei Jahren feststellen konnte, bietet sich diese Jahreszeit für fantastische Ausblicke aus dem Flugzeug an. Diese Aufnahmen sind von „kurz vor Erbil“ – inklusive einer Tour-de-France-würdigen Bergetappe. Und dann ein freundliches und erfreutes Willkommen. Als eine der letzten kam ich zur Passkontrolle. „Ihr erster Besuch in Erbil?“ fragte der Zollbeamte lächelnd. „Der erste Besuch im Irak,“ entgegnete ich. Darauf wurde sein Lächeln noch herzlicher, er haute den im Vergleich mit den vorher erledigten Daumenabdruck und Iris-Scan altmodischen Stempel in den Pass und verabschiedete mich mit einem „Willkommen im Irak!“

As I had noticed on my visit two years ago in Turkey already this is the perfect season for an unobstructed view of the landscape. These pictures are from „we have started the descent to Erbil“ – including a mountain stage worthy to be included in the Tour de France. And then a friendly and delighted welcome. I was one of the last to reach immigration. „Your first visit to Erbil?“ the customs official smiled. „My first visit to Iraq,“ I replied, which prompted his smile to become even broader. After the high-tech thumb print matching and iris scan from moments before, the stamp in the passport had a vintage feel to it, but the document was handed back to me with a „Welcome to Iraq!“

KRI6

Und dann… war der Koffer nicht dabei. Aber das kam nicht überraschend, hatte ich doch in Istanbul wegen Verspätung ganze 15 Minuten, meinen Anschlussflug zu erreichen. Dafür hatte ich definitiv die falschen Schuhe an, aber es ging gut – hinter mir wurde die Tür geschlossen und los ging’s. Planänderung: eine Nacht in Erbil und nicht gleich weiter nach Duhok, sollte der Koffer doch am folgenden Morgen auf der 4-Uhr-Maschine sein. Beim Verlassen der Ankunftshalle war dann schnell klar, warum sich diese Jahreszeit wiederum nicht anbietet: 46 Grad und ich hatte das Gefühl, irgendwo steht ein gigantischer Föhn rum, der mit mehreren Megawatt Leistung jedem die Illusion raubt, hier auch nur einen Schritt zu viel machen zu wollen. Viel los war mit mir aber eh nicht mehr: lecker Kebab im Hotel Restaurant (wo die schreiend laute arabische Chart-Musik kurz nach meinem Eintreten als einziger Gast zu Edith Piaf abgeändert wurde) und noch ein bisschen zappen durch die ca. 850 ausschließlich arabischen, kurdischen oder sich mir sonst sprachlich nicht erschließenden Sender. Doch wer braucht das, wenn das Fernsehprogramm über alle Grenzen hinweg eh gleich ist: ein arabischer (?) Millowitsch, dann etwas im Stile von Doris Day, ein Roseanne-Verschnitt war auch dabei, dazu eine Doku zum amerikanischen Bürgerkrieg und eine Kochsendung. Ein gewöhnlicher Tag bei den öffentlich-rechtlichen?

And then… the realization that my suitcase hadn’t made it on the same flight. It didn’t come as a surprise, though, as I reached Istanbul with a delay and had all of 15 minutes to reach the connecting flight. I was definitely wearing the wrong shoes for this kind of situation but I made it – the door was closed behind me and off we went. Change of plan: a night in Erbil and not directly on to Duhok because the suitcase was supposed to be on the 4 am flight the next morning. Upon leaving arrivals it became instantly clear why, on the other hand, this time of year is not the perfect season: 46°C and I was pretty sure there was a giant hairdryer put up somewhere nearby, working with a few megawatt at bereaving you of any illusions as to your willingness to move any extra than strictly necessary. I wasn’t going to explore anything anymore anyway: yummy kebab in the hotel restaurant (where I was greeted with deafening Arabic music which was switched to Edith Piaf only moments after I had entered as the only guest) and then a little zapping through the about 850 Arabic, Kurdish or whatever the channels that remained a linguistic mystery to me were). But who needs to know the details when the programming is basically the same as at home: popular, low-brow comedies, then something reminiscent of a movie starring Doris Day, a Roseanne-lookalike, a documentary on the American Civil War and a cooking show. Sound familiar?

KRI2

Am nächsten Morgen (8 Uhr, 35°C) war der Koffer immer noch nicht da und so machte ich mich mit einem Fahrer auf den Weg nach Duhok (keine Sorge, ich reise mit Wechselgarderobe im Handgepäck). Ich könnte ja auch zwei Stunden nur schweigend in die Landschaft starren und Eindrücke aufnehmen, aber das kommt mir immer so unhöflich vor. So habe ich dann erfahren, was eine echte Flüchtlingskrise ist. Wenn eine Stadt mit vielleicht 1,5 Millionen Einwohnern ca. 500.000 Flüchtlinge aufnimmt bzw. im näheren Umland hat. Wenn diese Stadt, diese Region, dieses Land selbst unter kriegerischen Auseinandersetzungen leidet. Wenn Lehrer im Ruhestand wegen „der Krise,“ die eigentlich die gefallenen Rohölpreise meint, seit April keine Pensionszahlungen mehr bekommen haben. Alles gleichzeitig. Da wird man mindestens schweigsam.

8 am, 35°C and the suitcase still hasn’t arrived so the driver and I get going towards Duhok (don’t worry, I travel with a couple of sets of clean clothes in the carry-on bag). I personally wouldn’t have a problem spending two hours just staring at the landscape, just taking it all in, but I always feel that’s rather impolite. And so I learned what a real refugee crisis looks like. When a city of maybe 1.5 million people takes in 500,000 refugees – within the greater city limits. When this city, this region, this country suffers from war itself. When retired teachers have not received their pensions since April – because of „the crisis“ which primarily refers to the crashing prices of crude oil. All at the same time. It makes you go real quiet and count your blessings.

KRI4

Der letzte Teil der Kollage oben ist der erste Blick auf Duhok, nach dem letzten Checkpoint der Peshmerga. An keinem war es irgendwie schwierig, Gesichtskontrolle ohne Beanstandung. Das ging zuletzt nicht allen so. Nur erfrischende 42 Grad. Im Hotel ist der Aufzug kaputt, Mechaniker gehen aber schon zu Werke – und mein Zimmer 108 Treppenstufen hoch im 5. Stock, immerhin ist das Treppenhaus auf ca. 37 frostige Grad runtergekühlt. Gott sei Dank kommt der Koffer später. Im Onkel Kareem-Laden nebenan mit Wasser versorgt. 108 Treppenstufen wieder hoch. Abends ist er dann da, der Koffer, ich werde zur Übergabe an die Rezeption gebeten – 108 Treppenstufen runter sowieso immer zu Fuß, nur um festzustellen, dass der Aufzug weiter kaputt ist. 108 Treppenstufen wieder hoch. Gegen 21 Uhr wieder runter, mit leerem Rucksack, Teilentleerung. 108 Treppenstufen wieder hoch. Oben angekommen ist der Zimmerschlüssel weg. Liegt an der Rezeption, zur Erheiterung der Hotelangestellten. 108 Treppenstufen wieder hoch. Frühstück gibt’s im siebten Stock…

The last part of the collage above is the first view I get of Duhok, after the last peshmerga checkpoint. I had thought it would be more checking but every time it was merely a scrutinizing gaze, no objections. Only refreshing 42°C. The elevator at the hotel is broken (repairmen already at work) – and my room 108 steps up on the fifth floor but at least the stairwell is cooled down to a nippy 37°C. Thank God the suitcase is late. I go down to get water at the mom-and-pop-store around the corner. 108 steps back up. At about 6pm the suitcase arrives and I’m summoned to the reception only to realize that the elevator is still broken. 108 steps back up, without the suitcase. At about 9 pm I ascend again with my backpack and partially empty the suitcase. 108 steps back up. When I reach my room I notice that I don’t have the key, left it at the reception – to the amusement of the hotel staff. 108 steps back up. Breakfast is on the seventh floor…

KRI5

Wie auch immer – mal sehen, welche Herausforderungen die kommenden Tage mit sich bringen 🙂

Anyhow, I’m looking forward to whatever the next few days have in store for me 🙂

Barbara