Dec/zember 24

Für diejenigen unter euch, die es noch nicht bemerkt haben: ich liebe Post. Briefe aus Papier. Postkarten. Schon immer. Und wo immer ich gelebt habe, ich habe eine besondere Beziehung zu Postbeamten entwickelt. So auch in Afghanistan. Weihnachten 2004 in Afghanistan war ein ganz besonderes Weihnachten – wahrscheinlich das beste, das ich bislang erlebt habe. Da kamen dann zwei Dinge zusammen: Weihnachten und Post. Denn mich erreichte Post auch in Qala-i-Nau, jenseits des Sabzak-Pass nördlich von Herat. (Und bevor ich weiter schreibe: alle Fotos und Videos in diesem Beitrag sind von R. Göhlen).

For those of you who have not realized it yet: I love snail mail. Letters on paper. Postcards. Always have. And wherever I’ve lived, the relationship with the staff at the post offices was always special. Afghanistan was no different. And Christmas in Afghanistan was a very special Christmas – probably the best Christmas on (my) record. And then two things coincided: Christmas and snail mail. I got a lot of mail in Qala’ye Now, beyond the Sabzak pass north of Herat. (And before I continue: all photographs and videos in this post are by R. Göhlen).

An einem Tag im Dezember kam ein Bote an unser Tor und richtete mir aus, der Post Director bestelle mich ein, es sei Post für mich angekommen. Auch nach fast anderthalb Jahren in Afghanistan fragte ich mich noch, warum er die Post nicht einfach schon mitgebracht hatte. Wie auch immer, ich brach auf – ohne zu wissen, dass mich diese „Besorgung“ mehr als zwei Stunden kosten würde. Denn die Übergabe der Post wurde zelebriert. Und ich muss ja zugeben: er hat versucht, mich vorzubereiten:

It was a day in December when a messenger came to our gate to let me know that the Post Director wanted to see me – there was mail for me. And even after almost a year and a half in Afghanistan I still wondered why he didn’t just bring the mail, now that he had made the way anyway. Well, I left to see him – little did I know that this errand would take me more than two hours. Because the handing over of my mail was a celebration. And I have to hand it to him, he did try to prepare for it:

Ich fasse es mal kurz: es waren glaube ich vier Päckchen und an die zehn Briefe. Die alle versteckt waren. Und im Laufe unseres Gesprächs kramte er immer NOCH eine Sendung irgendwo raus.

Let me keep it short: I think there were four packages and about 10 letters. Which were all hidden. And in the course of our conversation he kept getting out YET ANOTHER letter or package from somehwere.

Alle Pakete mussten natürlich geöffnet werden – wegen der zollamtlichen Überprüfung. Es ist ja schließlich das Gesetz.

All packages had to be opened – for customs clearance. After all, it’s the law.

Da war ein Päckchen mit Christstollen von einer Kollegin, selbst gestrickte Socken von meiner Oma, ein Pulli von meiner amerikanischen Oma und vieles mehr. Die Post kam aus allen Ecken der Welt und auch das musste im Detail besprochen werden:

There was a package with stollen from a colleagues, handknit socks from my Grandmother, a pullover from my American Grandmother and lots more. The mail came from all over the world and we had to discuss all places involved:

Wir waren auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland noch in Kontakt – beim nächsten Weihnachtsfest erreichte mich ein Paket mit Badghiser Pistazien und besten Grüßen an meine Eltern. Ob er wohl noch im Amt ist?

We were in touch a couple of times even after my return to Germany – the following Christmas I got a present from Afghanistan, a bag of the famous Badghis pistaccios and regards to my parents. I wonder if he’s still around.

Frohe Weihnachten

Merry Christmas

 

 

Afghanistan: Pistazien / Pistachios


In der Region ist die jährliche Pistazienernte eine große Sache. Alles wartet mit ständig wachsender Ungeduld darauf, dass die Ernte durch einen Schuss des Gouverneurs offiziell eröffnet wird, um dann zu den noch verbliebenen Pistazienhainen zu eilen.

Seit Montag ist hier die Anarchie ausgebrochen, das Pistazienfest hat begonnen. Wir haben zwar keinen Eröffnungsschuss gehört, aber plötzlich war draußen lautes Getöse zu hören, Hupen und was weiß ich. Der Staff war kaum zu bändigen, LKWs rasten vorbei und insgesamt wahrscheinlich etwa 5000 Esel – und nicht im üblichen müden Trott, sondern in einem Galopp. Es machte den Anschein, als wüssten auch sie, worum es ginge. Alles war auf den Beinen und die Armee hat versucht, den Leuten auf Eseln oder zu Fuß einen Vorsprung gegenüber den Autofahrern zu geben, aber das funktionierte auch nicht wirklich.

This region is known for its pistachios so the harvest is a big deal. Everybody is waiting with increasing impatience for the shot from the governor, which is the official starting sign for each and everybody to haste towards what is left of the pistachio groves.

Anarchy has been reigning since Monday when the pistachio festival started. Even though we did not hear the shot, the sudden noise outside on the streets, honking and whatnot, was a clear sign. The staff was not to be kept at the office, trucks raced past along with about 5000 donkeys – who were not tiredly trotting but actually gallopping. It looked as if even they realized what this was about. It seemed that not a soul stayed at home and the army tried to give people on donkeys or on foot a head start but that didn’t really work out.

Und weil eben eh nichts lief, ließen sich auch die zurückgebliebenen Europäer anstecken…

[Es] hat was von Karneval im Rheinland. Noch am ersten Tag haben [… wir uns aufgemacht], um uns auch mal Pistazien anzusehen. Ich hatte die ja auch noch nie am Baum gesehen. Uns erschienen sie größtenteils noch nicht reif zu sein. Aber in der ganzen Ebene waren Stimmen zu hören, freudiges Gerede, ein Schuss fiel dazwischen auch mal – wahrscheinlich hat sich einer an den falschen Baum gemacht. […] Ich bin mal gespannt, wie sich das in den nächsten Tagen so weiterentwickelt mit der Pistazienjagd. Teilweise haben die Leute schon Wochen vorher am streng bewachten Wald gecampt, um ja zum Startschuss da zu sein.

And because nothing was to be done about it, all the Europeans left behind also caught the bug…

It was like carnival in the Rhineland. It was on the first day already that we went out to have a first-hand look at a pistachio tree, too. I had never seen one before. To our amateur eyes they appeared to be mostly unripe. But happy voices carried across the plain, a shot was heard, too – maybe somebody had taken from the wrong tree. I wonder how this pistachio hunt will develop over the coming days. Some people had camped out near the strictly guarded forest for weeks just to be there right when the harvest started.

Picknicks sind ein bevorzugtes Event in Afghanistan – wahrscheinlich vergleichbar mit der deutschen Vorliebe fürs Grillen – und so wurde entschieden, als Teambuilding-Maßnahme ein Picknick im wieder etwas beruhigten Pistazienwald zu veranstalten.

[Wir sind] aufgebrochen und haben uns zwei Stunden auf bekannt schlechten Straßen bzw. nur unwesentlich besseren Flussbetten Richtung Turkmenistan bewegt. Es war einiges los, riesige Kolonnen Esel und auch Kamele (habe ich also endlich und doch noch gesehen), dick bepackt mit Säcken voller Pistazien. Wir haben uns dann ein schattiges Plätzchen gesucht, den Teppich ausgebreitet und [die ungeduldigen Angestellten erstmal] ziehen lassen. […] Die mitgebrachten Sandwiches waren schnell weg, die Melonen aufgegessen, aber Tee wurde natürlich noch gekocht und damit stieg die Stimmung an, so dass sich die Herren zur Musik aus dem Auto-Tapedeck zum Tanzen aufgefordert fühlten. Das habe ich allerdings von oben beobachtet, da ich zwecks Foto auf einen der uns umrundenden Hügel geklettert bin. Und so auch eine herannahende Kamelkarawane vor die Linse bekam [siehe oben].

Afghanistan’s favorite pasttime are picknicks. I guess the picknick is for an Afghan what a barbecue is for a German. Anyway, we decided to organize a picknick in the now quieter pistachio forest as a teambuilding measure.

We left and moved towards Turkmenistan for about two hours on bad roads and only marginally better river beds. A lot was going on, huge gangs of donkeys and also camels (that I finally did get to see), heavily loaded with bags full of pistachios. We looked for a nice spot in the shade, laid down the rug and let the impatient staff go off harvesting. The sandwiches we had brought were soon gone, as were the melons, but of course tea was made which raised the spirits considerably so that the gentlemen started dancing to the music from the car’s tape deck. I was watching from far away as I had climbed a hill to take some pictures. So it happened that I got a perfect view of an approaching caravan of camels [see above].

Und damit neigte sich meine erster Aufenthalt schon dem Ende entgegen… aber es sollten ja noch zwei weitere – längere – folgen.

And with this my first stay was coming to a close… but two more – longer ones – were to follow.

Barbara

Afghanistan: Basarbesuche / Bazaar Visits


Einerseits ist es das Wetter, das mehr dazu einlädt, sich draußen aufzuhalten. Andererseits war es ein kreativer Großauftrag, der mich in den letzten Wochen in der Freizeit ziemlich gebunden hat. Aber nun ist es wieder soweit: Einblicke in den Basar in QIN.

On the one hand, it’s the weather that is more than an invitation to spend your days outside. On the other hand, I worked on a creative mega order that has eaten up a lot of my spare time in the past weeks. But now I’m back: insights into QIN bazaar.

Ich war etwas naiv unter anderem was die Herstellung von Kopien im Basar angeht.

Ein einschneidendes Erlebnis war es, im Basar die Kopie einer 50-seitigen Informationsbroschüre in Auftrag zu geben. […] Die Auftragserteilung hat eine volle Viertelstunde in Anspruch genommen. Schwierig sei das, ob’s denn auch einseitig ginge, zweiseitig wäre soviel Arbeit… Und dann 4 Afghani pro Seite, das sind immerhin teure 8 Cent. Am Ende einigten wir uns auf 150 Afghani pro kopierter Broschüre. Aber dieses Handeln für alles und jedes kostet soviel Zeit. [… ein Kollege] klärte mich auf [darüber, warum dann die Herstellung so lange dauert]: der Kopierer steht in einem Raum ohne Fenster und läuft über einen kleinen Generator, der gerade mal den Kopierer schafft. Also wird das Licht angemacht, zu kopierende Seite eingelegt, Licht aus, kopiert, Licht wieder an, neue Seite eingelegt, Licht aus,…

I was just a little bit naive about having copies made in the bazaar (among other things).

It was a drastic experience to order a copy of a 50-page leaflet in the bazaar. Merely ordering it took 15 minutes. It would be difficult and could he make it one-sided maybe as two-sided copies were so complicated… And then 4 AFA per page – that’s expensive 8 Cents after all. In the end we agreed on 150 AFA per copied leaflet. But all this negotiating is so time-consuming. A colleague later explained why the actual production took so long then: the copier is in a windowless room and is run on a small generator that just about manages the copier. So the light is switched on to put in the page to be copied, light switched off, copy made, light switched on, new page put in, light off….

Ich habe die Aufzeichnung zu den Spezialaufträgen beim Schneider nicht finden können, aber ich erinnere mich noch lebhaft an den Auftrag für Bettbezüge. Ich wollte eine Knopfleiste am offenen Ende, wie es hier so üblich ist, und habe das aufgezeichnet. Nun waren meine Zeichenkünste ja nie besonders und so kam es, dass beide aufeinanderliegenden Stoffteile am unteren Ende KnopfLÖCHER bekamen. Ich habe sie dann mit Kordel zugebunden. Ging auch. Die weihnachtlichen Stockings jedoch waren legendär, aus rotem und grünem Samt exakt nach Anleitung gefertigt, mit Goldrand.

I could not find the notes on my special orders at the tailor’s but I vividly remember the order for duvet covers. I wanted a button tab at the lower end, just like I knew it from here, and made a drawing. You have to know that my drawings have always left much to be desired and so it happened that both layers of material at the lower end of the duvet had button HOLES. I ended up tying them together with a cord. Worked well. But the stockings I ordered for Christmas were legendary, made from red and green velvet. Perfectly made to order, with a gold border.

Wieviel Gas möchten Sie denn?

How much gas would you like?

Foto gefällig?

Need a picture?

Es gab auch ein Restaurant, das wir mal aufgesucht haben.

Noch ist nicht klar, wie sich mein Verdauungstrakt damit abgefunden hat, aber der Rest von mir war ausgesprochen angetan. Irgendwo in einer der zahllosen Basarstraßen. […] Durch einen engen vorderen Raum, vorbei am laut plärrenden Fernseher mit irgendeiner an die Hitparade erinnernde Show aus Kabul ging es nach hinten. [Der Raum] vermittelte mit der Balkendecke und den ehemals weiß getünchten Wänden irgendwie das Ambiente eines Kuhstalls. Aber gemütlich. […] Wir saßen quasi wie in einer Sushi-Bar, nur nicht am Fließband sondern entlang einer langen, schmalen Plastiktischdecke in Richtung Gang. Innerhalb weniger Minuten stand vor uns ein Reisgericht mit Rosinen, dazu separat etwa 5 Stück Lamm in Gulaschgröße und etwas, das aussah wie Joghurt. Beim Probieren prickelte der wie wild auf der Zunge – ich hätte also der Tatsache, dass der in seiner Schüssel Blasen warf, vorher eindeutig mehr Beachtung schenken sollen.

There was also a restaurant where we went once.

It remains yet to be seen how my stomach has braved it but the rest of me was really impressed. Somewhere in the numerous streets of the bazaar. We went to a back room, leaving behind the narrow front room and passing the blaring TV with some seemingly old-fashioned music show from Kabul. The room with its high ceiling and beams and the formerly white walls sort of had a cow barn feel to it – very likeable. We were placed as if in a sushi bar, in a row in front of a plastic cover, facing the aisle – just that the production line was missing. Within in minutes we were served a rice dish with raisins, about 5 pieces of lamb (goulash-sized) on the side along with something that looked like yoghurt. When I tried it it made my tongue tingle like crazy – I guess I should have paid closer attention to the fact that it was bubbling in its bowl.

Es scheint überall gleich zu sein: "Papa, ich will..."

It seems to be the same wherever you go: "Dad, I want..."

Es sieht aus wie Erdnüsse… wir beschäftigen uns beim nächsten Mal mit Pistazien!

It looks like peanuts… but we will hear more about pistaccios next time!

Barbara

Afghanistan: Start in Qala-i-Nau


2003 hatte ich die Bedeutung der digitalen Fotografie noch nicht erfasst und offenbar nicht gleich von allen Kleinbildfilmen auch eine Foto-CD erstellen lassen. Das musste nun nachgeholt werden… auch ein Grund, warum es hier so lange still war. Aber weiter: Nach der Krise auf dem Sabzak Pass waren wir ja dann doch noch wohlbehalten in Qala-i-Nau angekommen. Und nachdem die „microbes“ ja alle tot waren, konnte ich mich schnell wieder mit Essen befassen:

Erstaunlicherweise bin ich noch nicht so weit, dass mir „gutes deutsches Brot“ hier fehlt. Das Fladenbrot, das aussieht, wie ein etwas lang und dafür schmal geratener Schneeschuh, schmeckt mir ganz ausgezeichnet, auch trocken. Zum Frühstück essen wir das mit aus dem Iran importiertem Frischkäse und Marmelade […] ich glaube, mit Nutella wäre das ganz fantastisch. Das wird aber wohl nichts werden.

Apparently I hadn’t fully realized the importance of digital photography in 2003 as I didn’t have all my rolls converted into a photo CD back then. So I had to do that now . another reason why it has been quiet here for two weeks. So let’s continue: After the crisis on the Sabzak Pass we did arrive safely in Qala-e-Now. And after the microbes had all died, I was able to deal with food again:

It’s amazing but I still don’t miss „good German bread“. In fact, I really like the pita-like bread that looks loke a long, narrow snowshoe – even plain. I usually have it with cream cheese and jam (both imported from Iran and I think it would be truly fantastic with Nutella. But then that will very likely never happen.

Da wir Frauen ja bekanntermaßen Multitasker sind, wurde beim Frühstück nicht nur gegessen, oh nein! Wir kamen in den Genuss eines Kurses „Dari für Anfänger“, gehalten von unserer Haushaltshilfe.

Sie spricht ja kein Englisch, so dass wir meistens nur auf Dinge zeigen und uns dann irgendwie aufschreiben, wie sich das anhört, was sie sagt. In besagter Stunde kamen wir irgendwann auf Körperteile – wahrscheinlich, nachdem sämtliche Küchenutensilien abgeklärt waren. Auge – Nase – Ohr – Mund – Finger – Hand – Arm – Schulter – Hals – Rücken – Bauch. Da stoppte der Redefluss kurz, verschwörerisch beugte sie sich über den Tisch, so dass sie […] vor den Blicken des Guards verdeckt war, zeigte auf ihre Brüste und sagte unter fast unkontrolliertem Glucksen, „kost“. Hat sich dann fast weggeschmissen vor Lachen und wir gleich mit. […] Natürlich ist es […] eines der wenigen Worte, die wir behalten haben. So dass wir, ohne von Konjugationen oder Wortstellung für das alltägliche Leben so hilfreiche Konstruktionen bauen können wie „kost abi“ – blaue Brust.

As women are known to multitask we never only had breakfast, oh no! We were treated to a free course „Dari for beginners“ by our help.

She doesn’t speak English so all we could do was point at objects and then write down what her answer sounds like. On that particular morning we got to body parts – probably after we had taken care of all kitchen utensils. Eye – nose – ear – mouth – finger – hand – arm – shoulder – neck – back – stomach. Thens he hesitated, leaned across the table conspiratorially so she was shielded from the look of the guard and said while giggling almost uncontrollably, „kost“. And almost died laughing afterwards and we along with her. Of course it’s one of few words that we remember. As we are unaware of any grammar or word order we were then able to say things as helpful in daily life as „kost abi“ – blue breast.

Der wichtigste Laden im Basar: der Süßwarenhändler

The most important shop in the bazaar: the candy man!

An der Verbesserung unserer Sprachkenntnisse war auch einem der Guards gelegen, der aber seinerseits Englisch lernte:

Er kramte sein Englisch-Persisch-Buch für die Reise raus und las mir einen englischen Satz nach dem anderen vor, meistens Fragen, die ich dann in wenigen Worten beantwortet habe. Es war der Tag, an dem es später wie aus Eimern gießen und Fleece-Pulli-kalt werden sollte (nach 30 Grad am Tag vorher). Der Himmel war schon bedeckt. Er: „[Liest leise murmelnd persischen Satz, dann]: What is the weather forecast?“ Lacht sich tot, zeigt zum Himmel und meint: „Barran! RAIN!“

There was also a guard who went out of his way to help us improve our language skills, but he also learned Englsih himself:

He got out his English-Persian book for travelers and read out one English sentence after the next to me. Most of them were questions that I answered briefly. It was that day that would turn out to be fleece jacket cold (after the previous day was at 30°C). It was overcast already. Guard: „[Quietly mumbling a Persian sentence, then]: What is the weather forecast?“ He cracks up, points to the sky and says: „Barran! RAIN!“

Schade fand ich immer, und das erschließt sich hauptsächlich den englischsprechenden Lesern dieses Blogs, dass der wunderschöne Schnee barf heißt… Auf Englisch soviel wie kotzen. Aber es wird ja auch Zeit für Frühling!

I was sad to hear that the Persian word for snow – the aggregate state of water I find most appealing – is barf… But it’s time for spring to come anyway!

Barbara

Afghanistan: Sabzak Pass


Zwar war es nicht der Milkshake, der meinen Magen letztlich doch und quasi für den gesamten Aufenthalt durchgängig rebellieren ließ – aber irgendwas anderes. So war es denn am Morgen der Abreise nach Qala-i-Nau nicht klar, ob ich auch wirklich mitfahren würde. Bin ich aber doch und es wurde eine unerwartet spannende Fahrt.

Jedenfalls fahren wir so vor uns hin, bis dann ein entgegenkommender LKW anhält […]. Der Bekannte teilt uns mit, der Sabzak-Pass, über den wir nach Qala müssen, sei durch Steinschlag blockiert. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon […] nicht mehr allzu weit vom Pass entfernt. Beim weiteren Anstieg schlug das Wetter um, es wurde neblig und kalt. Die Landschaft, soweit erkennbar, hatte weiter ihren Reiz, denn zur Zeit sind die Berge noch größten Teils grün (sofern überhaupt bewachsen), mit farbenfrohen Blumen darunter.

It wasn’t the milk shake that did it but something else made sure I got tummy troubles that were to last all throughout my stay. On the morning when we were supposed to leave for Qala-e-Now it was not clear whether I could travel or not. But I did and it turned out to be an unexpectedly exciting trip.

As we are cruising along, a truck coming towards us stops. The friend [of our driver] tells us that Sabzak Pass which we have to cross to get to Qala is blocked due to a rockslide. At this point we’re not that far away from it anymore. We continued the ascent and the weather changed, fog moved in and it was cold. The landscape, at least what I could still make out of it, continued to be fascinating. At this time of year, the hills are still mostly green (if there is vegetation at all) with many colorful flowers.

Und dann kamen wir um die Kurve und das ganze Elend war klar ersichtlich:

In beiden Richtungen standen LKWs, Jeeps und normale Autos Schlange. Der Steinschlag war ein riesiger mudslide, auf einer Breite von sicher 100, wenn nicht mehr Metern. Riesige Brocken lagen da rum, hauptsächlich am Rand zum Abhang hin, die „Fahrbahn“ war „nur“ mit weiterhin fließendem Matsch in etwa 15cm Höhe bedeckt. Wir stehen mittendrin und hören auf einmal so ein Zischen – der linke Hinterreifen verlor mit rasender Geschwindigkeit Luft und binnen weniger Minuten war er total platt.

And then we turned a corner and the misery was in plain view:

Both directions were blocked with trucks, jeeps and normal cards, standing in line. The rockslide was more of a mudslide, about 100 meters wide, possibly more. There were huge rocks lying around, mainly towards the abyss, the „road“ was „only“ covered in about 15cm of flowing mud. We are right in the middle of it and suddenly hear this hissing sound – the left back tire was rapidly losing air and was completely flat within minutes.

Ich kann mir keinen schlechteren Moment und Ort für einen platten Reifen vorstellen. Der Fahrer sah sich die Lage bergauf und bergab an und entschied, sich wieder den Pass runter zu einer halbwegs trockenen Stelle vorzukämpfen.

Etwa einen Meter vorher blieb er stecken, mit einem ehemals russischen Armeetruck, jetzt turkmenischer Händler, der sich gerade den Weg bahnte, laut schreiend und gestikulierend daneben (der Händler, nicht der Truck). Mit viele Gedrehe der Räder und inshallah kam er rückwärts wieder raus, um dann im Rückwärtsgang den Berg wieder hoch zu rasen, um an einer unwesentlich breiteren Stelle dem LKW Platz zu machen. Das war dann der Moment (als ich rechts aus meiner Beifahrertür hinaus noch etwa 3cm und dann das 150m tiefe Nichts sah), an dem ich die Nerven verloren und darum gebeten habe, auszusteigen. […] Also habe ich mich dann in eine Menge feixender (?) Turkmenen begeben, die sich köstlich amüsiert haben [und den Pass zu Fuß überquert].

I can’t imagine a worse moment and place to have a flat tire. The driver checked the situation in both directions and then decided to backtrack down the path to a relatively dry spot.

With about a meter to go he got stuck. There was a former Russian army truck, now Turkmen trader, trying to inch his way up right next to him and he started yelling and gesticulating (the trader, that is). The wheels were spinning like crazy, the atmosphere very inshallah but our driver managed to back out and kept going backwards up the pass again, heading for a spot that was marginally wider to let the truck pass. That was the moment (as I could make out about 3cm of solid ground out of my door and then the 150 m nothing), when I lost my cool and asked to get out of the car. And this is how I ended up joining a group of sneering (?) Turkmen men who had a great time with all of this [and crossed the pass on foot].

Der Reifen wurde letztlich in tiefem Matsch gewechselt und

[…]IRGENDWANN waren wir dann durch diesen Engpass durch, zu fahren waren aber noch knapp zwei Stunden und die Straßen wurden auch nicht besser – und der Fahrer war natürlich fix und alle. Aber wir haben ihn wach gehalten und als er dann soweit war zu fragen, warum denn mein Bauch nicht verrückt spielte und ich ihm antwortete, dass die „microbes“ alle an einem Herzinfarkt gestorben seien, war er wieder der alte.

The tire was exchanged in deep mud and…

AT SOME POINT we had put this bottleneck behind us but still had about two hours to go and the roads weren’t exactly improving. The driver, of course, was dead tired, too. But we kept him awake and when he perked up enough to wonder why my stomach wasn’t acting up and I replied that the microbes had surely all died because of a heart attack, he was his old self again.

Und darüber, wie es sich in Qala-i-Nau so leben ließ, berichte ich beim nächsten Mal!

Next time I’ll have a look at what life was like in Qala-e-Now!

Barbara

Afghanistan: Erste Eindrücke / First impressions

Im Herater Basar / Herat Bazaar


Heute gehen wir mal weiter auf die Reise in „mein Afghanistan“ 2003…

An der Grenze angekommen […], war der Fahrer, der uns abholen sollte, nicht da. Eine Stunde haben wir zur Freude der etwa 100 Männer, die aus allen Richtungen gelaufen kamen, auf unserem Gepäck gesessen und gewartet. Ich sprach leider kein Dari, niemand von ihnen Englisch, aber wir hatten doch irgendwie Spaß dabei. […] In Herat angekommen [wurde uns] ein FANTASTISCHER Milk-Shake spendiert: Banane mit Kokosflocken und gehackten Walnüssen plus SÜßE Sahne. Und nein: mein Magen hat nicht dagegen rebelliert.

Today I’ll take you back to „my Afghanistan“ 2003

When we reached the other side of the border, the driver who was supposed to pick us up hadn’t arrived yet. So we were sitting there on our luggage for about an hour – much to the joy of about 100 men who came running from all directions. I didn’t speak any Dari, none of them English but we still had fun communicating.
When we reached Herat we were invited for a FANTASTIC milk shake: banana with coconut flakes and chopped walnuts plus cream. And no: there was no gastro-intestinal rebellion afterwards.

Blick aus dem ersten Stock des "Ice-cream Shop" / View from the second floor of the ice-cream shop

Schon beim Gedanken an diese Milkshakes läuft mir noch heute das Wasser im Mund zusammen und ich frage mich, ob der damals gut und immer besser gehende Laden, den wir immer den „Ice-cream Shop“ nannten, heute noch besteht? Am Tag darauf konnte ich den Stoffbasar inspizieren:

Frauen fast nur in Burkas, aber man sieht auch andere. Die waren alle sehr an uns interessiert. Beim Stoffkauf standen sie traubenweise neben uns und haben flüsternd wohl diskutiert, was sie von unserer Wahl halten. Meine Kollegin wurde von einer sogar zur notwendigen Stoffmenge beraten. Viele Kinder, fröhliche, dünne, schmutzige, sehr interessierte Kinder. Kutschfahrer. Muezzinrufe um 4 Uhr morgens. Vögel in den Bäumen auf dem Grundstück. Das ist übrigens auch sehr schön, mit Garten voller Rosen, Stockrosen, Geranien, zwei Perlhühner laufen hier rum. Großes Haus, nette Locals, guter Koch, Dr. Cookie.

My mouth starts watering even today when I think of these milk shakes and I wonder whether the place that we came to call the ice-cream shop still exists today – the shop was running well when we first went there and seemed to be expanding over the years. On the following day I got to have a look at the cloth section of the bazaar:

Women almost all clad in burqas but there are others, too. And everybody followed our every move. They were standing near us in droves when we were buying the fabric and were probably discussing our choices. My colleague even got advice on how much to buy. Many kids, happy, thin, dirty, very interested kids. Coachmen. Calls to prayer at 4 am. Birds in the trees of our property. Which is very nice, by the way: with a garden full of roses, hollyhocks, geraniums and two guinea fowl running all over the place. A large house, friendly locals, great cook, Dr. Cookie.

Herat: Blick aus meinem Zimmer / View from my room

Bonbon Manufaktur im Herater Basar / Candy factory in Herat Bazaar

Staubig war es auch. Aber ich kann damit deutlich besser als mit hoher Luftfeuchtigkeit. Bevor es zu eigentlichen Einsatzort Qala-i-Nau, der Hauptstadt der Provinz Badghis ging, war noch etwas an der Garderobe zu feilen:

In der Mache sind nun auch meine Klamotten. Nachdem wir ja den Stoff auf dem Basar besorgt hatten, sind wir nun auch beim Schneider gewesen. Es waren lange Diskussionen und ganz offensichtlich war er etwas enttäuscht, für uns Westler nichts extravaganteres als den Herrennachthemdlook nähen zu dürfen. Er kramte ein amerikanisches Modemagazin unter dem Tisch hervor und machte einige Vorschläge à la Cocktailkleid, aber für den täglichen Gebrauch waren sie leider alle ungeeignet. […] Bis ich jetzt die bestellten Teile bekomme, dauert es noch ein bisschen, also wasche ich noch jeden zweiten Abend. So, wie das hier trocknet, ist das aber auch egal: triefnass aufgehangene Leinenhose und -bluse sind am anderen Morgen stocktrocken.

It was dusty, too. But for me that’s easier to deal with than humidity. Before we continued to our actual destination, Qala-e-Now, the capital of Badghis Province, there was some work to do on my wardrobe:

My clothes are now being made. After we had bought the fabric in the bazaar we went right to the tailor’s. There were long discussions and apparently he was a bit disappointed that he wasn’t going to make anything more extravagant than the men’s nightgown look for us westerners. He got out an American fashion magazine from under the table and made a few suggestions that were all cocktail dresses of one kind or another – unfit for daily use. It will be a while before I have the ordered items so for the time being I handwash every other night. But at the rate things dry here that’s no problem at all: put out your dripping wet linen pants and blouses and be sure they’ll be bereft of even the lightest traces of water the next morning.

Der Schneider / The tailor (c) RG

Beim nächsten Mal geht es dann weiter über den Sabzak-Pass nach Qala-i-Nau!

Next time I’ll take you across the Sabzak Pass to Qala-e-Now!

Barbara

P.S.: Und dann läuft da immer noch das Freebie… Teilnahmeregeln genau beachten!

P.S.: And then there’s still blog candy to win… pay close attention to the rules!

Der eingebildete Kommentar / The imaginary comment

Ich freue mich sehr über das rege Interesse am gestrigen Eintrag – auch wenn sich so viele wieder nicht trauen, zu kommentieren 😉 Wie auch immer: in einer Mail erreichte mich ein wunderbarer Link zu einer aktuellen Artikelsammlung in der FAZ. Lesenswert!

This entry is for the German-speaking crowd only. In case you haven’t noticed: Germans are not born commentators as such… Do as I might, I only manage to tease out one here or there. What happens is that there are still no comments but lots of e-mails. One sent me a link to a collection of articles in a German newspaper that I shared above.

Bis bald!

Take care!

Barbara

Afghanistan, Afghanistan…

Am vergangenen Sonntag, 29.01.2012, kam im Weltspiegel ein Beitrag von Gábor Halász zu Afghanistan, der mich tief berührt und tagelang beschäftigt hat. Wahrscheinlich auch, weil er von folgender Aussage geprägt war: „Das Afghanistan, das ich gesehen habe – es ist schwer, es nicht zu mögen.“ Denn das geht mir genauso.

There was a report on Afghanistan by Gábor Halász in Weltspiegel last Sunday, January 29, 2012 that deeply touched me and caught me off guard. Probably because it revolved around the following statement: „The Afghanistan that I have seen – it’s hard not to like it.“ Because that is exactly how I feel.

Maulbeeren / Mulberries

Da dieser Blog ja grundsätzlich dazu da ist, den Dingen, die mich bewegen, ein Ventil zu verschaffen, liegt es nahe, ihn auch jetzt zu nutzen. „Mein Afghanistan“ ist das von 2003-2005 und man könnte nun sagen, dass das das verklärte Nostalgie ist – und deswegen möchte ich in Zitaten auf meine Aufzeichnungen von damals zurückgreifen. Internet in dem Sinne stand mir damals nicht zur Vefügung, so dass ich einmal in der Woche eine Mail an einen Freund geschrieben habe, der sie dann an einen Verteiler weitergeleitet hat.

This blog exists because I found it to be a perfect channel to communicate about anything that is on my mind and so it’s also my first choice for this adventure. „My Afghanistan“ is that of 2003-2005 and it would be easy to say that this will all be misty-eyed nostalgia. So I decided to quote from my (German) notes. Internet as such wasn’t an option at the time so I wrote an e-mail to a friend once a week who forwarded it to a pre-defined listserv.

Im Basar von Qala-i-Nau / Qala-e-Now Bazaar

Zuerst schwebte mir vor, die Einträge nach Themen zu ordnen. Das würde jedoch heißen, ca. 300 einzeilig getippte DIN A4-Seiten Aufzeichnungen komplett durchzugehen, bevor ich überhaupt etwas schreiben könnte. Also habe ich mich für die Chronologie entschieden. Ein Zeitplan steht auch nicht dahinter – es wird immer dann ein Eintrag kommen, wenn ich wieder die Muße finde… bei Interesse also am besten ein Follower werden, dann verpasst ihr auch nichts.

At first I had planned to decide on a certain subject per entry. But that would have meant to go through about 300 A4-size pages of notes before I could have gotten down to actually writing something. So I went for a chronological approach. There’s no schedule – there will be an entry when I feel like writing one… so if you’re interested it’s best to become a follower so as to not miss out on anything.

Flug von Herat nach Qala-i-Nau / Flight from Herat to Qala-e-Now

Chronologisch beginnt das ganze mit der Anreise, die über den Iran erfolgte. Nach einer Übernachtung in Teheran folgte ein Anschlussflug ins im Ostiran gelegene Mashad und von dort ging es per Taxi an die iranisch-afghanische Grenze. Schon das war ein Erlebnis:

Ich habe festgestellt, dass Fahrstreifen offensichtlich kulturkreisabhängig verschiedentlich interpretiert werden – im Iran dienen sie nicht der Trennung, sondern der Orientierung, und damit man nicht verloren geht, fährt man am besten auf dem Strich. Außerdem fährt man seinen 30 Jahre alten Peugeot mit 40 PS IMMER mit Vollgas, Schulterblicke sind speziell bei diesem Fahrstil überflüssig und Überholmanöver machen in steter Regelmäßigkeit eine zweispurige Fahrbahn mindestens dreispurig. Dementsprechend war ich mehr auf das Beifahrerfenster orientiert und konnte feststellen, dass der Ostiran, zumindest bis etwa 50km südöstlich von Fariman, wohl die Kornkammer des Landes zu sein scheint. Wie es links von der Straße aussah, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

Half the fun is getting there: travelling via Iran. After a night spent in Tehran we got on another flight to Mashad in Eastern Iran and moved on from there to the Iranian-Afghan border aboard a taxi. That was quite something already:

I found out that apparently lanes can be interpreted differently and subject to the respective cultural environment. In Iran they are not about separating traffic flows but are used for orientation. In order to make sure that you don’t get lost it’s best to drive right on the line. In addition, you need to ALWAYS drive your 30-year old 40 horsepower Peugeot at full throttle. While driving this way, checking back over ones shoulder is dispensable and passing maneuvers frequently expand a two-lane road to a three-lane road. Minimum. As a consequence I was kind of focused on the passenger seat’s window and took note of the fact that apparently Eastern Iran, at least until about 50km to the Southeast of Fariman, is the breadbasket of the country. Unfortunately, I had no way to gain secured information on what the country looked like to the left.

Nach diesem ersten Eindruck widme ich mich dem Rest meines Freitagsabends und sehe mal, wann es weiter geht auf der anderen Seite der Grenze! Habt ein schönes Wochenende.

After this introduction of my latest idea I will now get to the rest of my Friday evening. We’ll see when the trip continues beyond the border! Have a nice weekend.

Barbara