„Ich habe eine Karte für das Kevin Costner Konzert!“ teilte ich freudestrahlend mit. „Seit wann singt der denn? Hat der Geldsorgen?“ fragte meine Schwester, was ich geflissentlich überhörte. „Das ist doch der, der bei uns auf dem Speicher hängt, oder?“ wollte meine Mutter wissen. Bei diesem Speicher handelt es sich um einen ausgebauten Dachboden, der vor ca. 20 Jahren als eine Art Jugendzimmer diente. Ja, da hängt er, gleich neben dem aufgeklebten Garfield-Puzzle, der Postkarten-Sammlung aus Schweden und dem Plakat von der Frankfurter Buchmesse irgendwann in den frühen Neunzigern…
Der Ticketkauf war schon vor einigen Monaten, das Konzert dann endlich gestern Abend, in Siegburg. In der Reihe großer Konzertsäle in halb Europa eine etwas überraschende Wahl. Aber dann gab’s auch noch das Konzert in Jüchen, zwischen Mönchengladbach und Grevenbroich gelegen wie ich nun weiß. Ein bisschen wurde ich das Gefühl nicht los, dass Herr Costner oder sein Tour-Manager ein Fan des Spiels Finden Sie Minden? sein könnten…
Um 20 Uhr sollte es losgehen, so um 17:45 Uhr waren wir da – und bei weitem nicht die ersten. Hätten wir aber sein können, wenn der Niederländer im Parkhaus mit Anfahren im Berg (Rampe) nicht überfordert gewesen wäre… ich war kurz davor, meine Hilfe anzubieten. Wir mussten uns dann erstmal bis zum Ende der Schlange vorarbeiten und waren dankbar, dass es nicht regnete, denn an einen Schirm hatte natürlich keiner gedacht. Und ich hatte die scherzenden Kollegen, die vorschlugen, ich solle doch von Freitag auf Samstag vor der Rhein-Sieg-Halle campieren, keines Kommentars gewürdigt.
Gegen 18:30 Uhr wurden wir von der Straße geholt und immerhin schon mal auf den Vorplatz gelassen. Das Publikum war erstaunlich gemischt, Teenager, Twens und alles, was sich in älteren Altersgruppen bewegt. Und deutlich mehr Männer, als ich erwartet hatte. Warum nur?
Dann ca. 19:15 Uhr gingen die Türen auf und die Masse ergoss sich in die Halle – wir Gott sein Dank erstmal zur Bühne und später zur Garderobe, so dass wir noch ziemlich weit vorn zu stehen kamen. Zu dem Zeitpunkt standen wir dann schon fast zwei Stunden und eigentlich kann ich das ja gar nicht ab. Auf der Bühne strahlte das Cover der neuen CD um uns die Zeit zu vertreiben und die Dame hinter mir meinte, der Daumen sei ja schon mal sehr vielversprechend, wenn der Rest entsprechend sei… man sei ja schließlich wegen des Manns hier, weniger wegen der Musik. Ob der wohl auch tatsächlich ein Instrument spiele? Das Cover könne ja gestellt sein. Und selbst singen? Ja, doch, das konnte ich bestätigen, denn ich war nicht unvorbereitet. Zwar litt die Vorbereitung unter dem Engagement für Olympia und viel Besuch in den letzten Wochen, aber meine Nachbarn und ich haben in letzter Zeit so oft wir möglich das Album Untold Truths gehört. Meine Begleitung interessierte derweil hauptsächlich, ob er denn wohl gefärbt sei, jetzt da er schon seinen 55. hinter sich habe? Wir würden es erleben!
Als die Vorgruppe in Person von Sara Beck auf die Bühne kam, atmeten auch die Männer auf, denn ganz offenbar hatte man an diesem Abend auch an sie gedacht. Die Stimme war verdammt gut, aber auch wenn sie in erstaunlich gutem Deutsch sagte „Ich bin glücklich, hier zu sein“ war allen inkl. ihr klar, dass das Publikum jemand anderen sehen wollte. So machte sie sich dann auch bald hinter die Kulissen und es begann ein kleines Intermezzo an Filmausschnitten, die den VIP des Abends entweder als Revolver schwingenden oder anderweitig heldenhaften Mann oder heißen Liebhaber zeigten. Schließlich wies der Mann hinter uns höchst überflüssigerweise darauf hin: „Do kütt er!“ Dass er mit legerem Schal erstmal irgendwie auch noch Ähnlichkeit mit Alan Rickman hatte, beeinträchtigte die Situation höchstens positiv!
Es stellte sich alsbald heraus, dass sich einerseits auch die Menschen auf der Bühne keiner Illusion hingaben, warum die Rhein-Sieg-Halle an diesem Abend voller Menschen war und der Frontman spielte gekonnt mit seinem sexy Image. Auch er würdigte die Minderheitengruppe der Männer und sagte dann: „Ach wissen Sie, Sie müssen mir gar nichts vormachen… ich weiß doch, dass Sie nur hier sind, weil Ihre Partnerinnen Ihnen keine andere Wahl gelassen haben!“ Nicken allenthalben. Und irgendwie könnten sie es immer noch nicht glauben, dass so viele Leute zu den Konzerten kommen. „Und vielen Dank, dass Sie schon so viele Jahre in meine Filme gehen – oder Ihre Eltern,“ meinte er mit Blick auf die Teenager in der ersten Reihe und neben mir… was die eine zum Besuch bewegt hatte, blieb mir bis zum Schluss unklar, schrieb sie doch im Laufe des Abends ca. 40 SMS und war deutlich anderweitig beschäftigt.
Das Konzert war eine Mischung von Songs aus dem alten Album Untold Truths und dem gerade erschienenen Turn It On. Ein Video des Songs Let Me Be The One, ein Duett mit oben erwähnter Sara Beck, kann man sich hier ansehen. Der Abend hat Spaß gebracht, auch wenn ich mich zwischendurch gefragt habe, wie die anderen Bandmitglieder das sehen. Wenn da der Lead-Gitarrist Teddy Morgan im Spotlight ein Höllensolo hinlegt und scheinbar alle außer mir den physisch in den Hintergrund getretenen Costner dabei beobachten, wie er im Halbdunkel schnell einen Schluck Wasser trinkt. Die erste und einzige Geige, Bobby Yang, wurde aus unerfindlichen Gründen mehr beachtet. Also: finden die es eher cool, wegen Kevin Costner in nicht wirklich großen, aber ausverkauften Häusern zu spielen oder nervt es sie, dass 98% des Publikums nicht wegen der Musik da sind? Sie waren jedenfalls die, die nach dem Konzert pro Kopf noch ca. 500 Autogramme gaben und für Fotos zur Verfügung standen. Aber nachdem diverse Mittvierzigerinnen die schönste Ballade mit Kevin, marry me! kaputtgeschrillt hatten, war auch klar, dass sich der Chef allein aus Sicherheitsgründen nicht an der Aktion beteiligen konnte. Schade eigentlich.
Ich hatte es im Rahmen der erwähnten Vorbereitung nur geschafft, bei einem Song, der es zu meinem Lieblingslied geschafft hatte, wirklich textsicher zu werden, Superman 14. Zuerst ein bisschen enttäuscht, dass er nicht im Programm war, kam er dann doch noch als Zugabe – und mein Wissen brachte mich in die Position festzustellen: das ist wirklich live gewesen. Er hat sich nämlich versungen, die zweite Strophe zuerst angestimmt, merkte es nach drei Worten, grinste, fand den Takt wieder und stieg richtig ein… Es scheint auch sein Lieblinglied zu sein, denn da hört man dieser Tage automatisch rein, wenn man seine Website besucht – so man denn die Lautsprecher angeschaltet hat.
Drei Frauen hat er dann zu guter Letzt noch glücklicher gemacht als den Rest von uns, bat er sie doch zu einigen Tanzschritten und zwei Bützches auf die Bühne – ich wusste nicht, was mir, wäre ich aufgefordert worden, mehr Sorge bereitet hätte: die Tatsache, dass ich nicht tanzen kann oder die Frage, wie ungelenk und schmerzvoll ich mich wohl da hoch gequält hätte, denn nach mittlerweile über 4 Stunden Stehen hatte ich Rückenschmerzen und steife Knie. Wir werden alle nicht jünger. Und er war nicht gefärbt. 🙂
Barbara
Great pictures and description of the concert! Thanks for sharing!
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