Schon bald nach Beginn der Korrespondenz aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft gibt es einen Jahrestag zu begehen: am 07.12.1944 denkt Karl an seinen fünften Hochzeitstag. Auf mich wirkt das immer ziemlich abgefahren, wenn Leute in der Uniform heiraten… muss man das? Oder ist es einfach eine preiswerte Alternative zu einem Anzug, den man sonst extra würde kaufen müssen? Und manchmal frage ich mich, über welche absurden Kleinigkeiten ich mir so Gedanken machen kann…
Soon after he took up correspondence as a POW in the US, he mentions an anniversary: on December 7, 1944 Karl remembers his 5th wedding anniversary. I guess I have a somewhat different predisposition or does anyone else find it weird when people get married wearing uniforms… or is that mandatory? Or maybe it’s just an inexpensive alternative compared to buying a whole new suit in times when you need to be a penny pincher? And sometimes I wonder how seemingly little things can make me pause…
Mehr ein gemütliches Kaffeekränzchen als die große Party, aber vielleicht ist es einem danach am 07.12.1939 auch nicht. Mein Großvater war offenbar auf Heimaturlaub von der „Westfront“, wie sein Einsatzgebiet für den Zeitraum 26.08.1939 – 11.02.1940 im Wehrstammbuch gelistet ist. Fünf Jahre später jedenfalls schreibt er:
Ich bin in alle Lande verschlagen worden und zum guten Schluss in amerikanischer Kriegsgefangenschaft gelandet. Führwahr kein rühmliches Ende […]. Du hast mir gegenüber das wesentlich schwerere durchgemacht. […] die vielen Bombenangriffe auf die Heimat.
It looks more like a coffeeklatsch than a party but maybe it wasn’t exactly the time for partying generally speaking on December 7, 1939. My grandfather must have been on home leave from what is listed as „west front“ in his army register for the period August 26, 1939 to February 11, 1940. Five years later he writes:
I have been all over the place and finally ended up as a POW in America. Certainly anything but an honorable ending […]. Compared to me you had to go through a lot more. […] all the bomb raids on our homeland.
“In alle Lande verschlagen”… ich finde Zeiten in Susterburg (?), Insterburg (heute: Chernyakhovsk), Bromberg (heute Bydgoszcz), Lingen/Ems, Minden, Südfrankreich… und ein Ort in Russland, den ich als Melerossowo lese, was aber bei einer Internetsuche in allen möglichen Schreibarten kein Ergebnis bringt. Dort jedenfalls kam es am 29.11.1941 zu einem “Kopfstreifschuss über dem rechten Auge”. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass er nichts davon hielt, dass ich mich nach Russland aufmache. Und/oder, weil sein Bruder Leo 1942 in Frolowo gefallen ist. Das habe ich bei den Recherchen nebenbei auch noch rausfinden können. Mittlerweile ist sein Grab (von sterblichen Überresten dürfte nach fast 80 Jahren wohl keine Rede mehr sein) auf dem Friedhof Rossoschka zu finden. Ich schweife ab. In seinem Brief fährt er fort:
[Unsere Kinder] sind uns heilige Verpflichtung, ihnen gilt ja unser ganzer Kampf, den wir hoffentlich in Kürze siegreich beenden. […] In alter Liebe und Treue zu Dir und der festen Überzeugung an den Endsieg, grüßt und küßt dich innigst Dein Karl.
“All over the place“ (and I definitely do not manage to translate his letters adequately, his style is much more old fashioned and convoluted)… I find periods in Susterburg (?), Insterburg (today’s Chernyakhovsk), Bromberg (today’s Bydgoscz), Lingen/Ems, Minden, Southern France… and a place in Russia which I read as Melerossowo, but internet searches with all kinds of variations didn’t yield any results. That was the place, though, where on November 29, 1941 he suffered from a „graze to the head above the right eye“. Maybe that’s why he didn’t want me to go to Russia. And/or the fact that his brother Leo fell in Frolowo in 1942. That was a „side find“ of my research. His grave is to be found on the Rossoschka cemetery (I guess almost 80 years later, there are no more mortal remains). I’m getting distracted. He continues:
[Our children] are our holy mandate, our fight – which will hopefully end victoriously soon – is for them. […] In old love (?) and loyalty to you and the unwavering conviction of the final victory, I greet and kiss you most intimately. Yours, Karl.

Believed to be Marie-Luise and Norbert, ca. 1945
Der Glaube an den Sieg, Ende 1944, als Kriegsgefangener weit ab des Geschehens. Was ist das? Gedacht zur Verbesserung der Moral – dies- und jenseits des Atlantiks? Schiere Verzweiflung? Muss man das vielleicht, damit man nach so vielen Jahren des selbst erlebten Elends und des anderer nicht vollkommen abdreht ob der Sinnlosigkeit? Welche Informationen haben sie in dem Lager bekommen? Vielleicht realistische und man musste das als Propaganda abtun, schließlich konnte man dem Feind ja nicht trauen?
Belief in the final victory, at the end of 1944, as POW far removed from everything. What is this? Meant to boost morale – on both sides of the Atlantic? Sheer desperation? Maybe you need to keep thinking that after so many years of misery for yourself, your loved ones and millions of others, or else you lose it completely, in face of the futility of it all? Were they kept informed about the developments back home? Maybe they were and you just had to take it as propaganda, because you can’t trust the enemy?

Karl and Finchen, Pentecost 1936
Es mangelt den Briefen wahrlich nicht an Material zum Nachdenken… doch genug für heute. Viele Grüße aus der leicht “gezuckerten” Eifel und auf bald!
There certainly is enough to make you think in these letters… but enough for now. Wintery greetings from the Eifel, with a touch of snow and see you soon!
Barbara
Hallo Barbara! Das ist ja sehr interessant, und ich freue mich über die schönen Bilder von Tante Finchen und Onkel Karl! l.G. Rita
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Das Bil von Marie-Luise und Norbert is vor dem alten Forsthaus in Rohr. Soviel ich weiß hat die Familie im Krieg dort gewohnt
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My Dad married my Mum in his Naval uniform during war time too… I love the old photos
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How interesting!
I love the black & white photos!
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Sehr spannender Beitrag! Ich habe mal die Kriegskorrespondenz meines Schwieger-Grossvaters Fred Feuerstein bearbeitet. Er konnte gut schreiben, Dein Grossvater offensichtlich auch. Der Glaube an den Endsieg noch in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft ist wirklich abgefahren. Sowas hat Fred nie geschrieben, er war in Frankreich an der Front bis zum Schluss.
Zur Uniform: Soweit ich weiss, war es in der Schweiz noch bis in die siebziger Jahre Pflicht, die Uniform auch im Ausgang oder auf den Weg in den Ausgang zu tragen.
Die Frage, die halt in der Luft liegt, auch bei meinem Schwieger-Grossvater: Wie sehr haben sie all diese Nazi-Propaganda geglaubt? Wie viel haben sie verschwiegen, um ihre Verwandten zu schützen? Was haben sie geschrieben, um den Zensoren einen anständigen Eindruck zu machen? Die Briefe von Fred Feuerstein waren teils geschwärzt und gestempelt von der Reichszensurstelle.
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