Sekt in de City?

So, da bin ich wieder, nach einer nicht unspannenden Anreise letztlich doch noch in Goma angekommen. Alles fing viel versprechend an und wenn alles funktioniert, können mich alltägliche Dinge sehr faszinieren: um 19:11 in Siegburg in den pünktlichen ICE gestiegen, um 19:51 am Frankfurter Flughafen wieder ausgestiegen. Um 20:12 Uhr war ich bereits eingecheckt und musste mit 50,5 kg dank meines charmanten Lächelns kein Übergepäck bezahlen (Limit 45 kg). Man merkte auch kaum, dass es (das Lächeln) mir nach und nach festfror in dem verzweifelten Versuch, mir nicht anmerken zu lassen, dass der Handgepäcksrucksack weitere geschätzte 11 Kilo hatte und ich in ständiger Gefahr war, nach hinten umzukippen. Um 20:35 hielt ich die Ausfuhrbescheinigung für den Laptop in Händen und konnte mir die Zeit am Frankfurter Flughafen vertreiben… Auch in Kigali kam ich pünktlich um 14:05 des Folgetages an. Der Zollbeamte war gut drauf und hat mich schnell abgefertigt – allerdings nicht ohne mich darauf hinzuweisen, dass ich doch beim nächsten Mal Freunde und Familie mitbringen solle. „Nach Ruanda oder in den Kongo?“ habe ich etwas verwirrt gefragt. „Egal,“ kam die Antwort, „hier ist es überall schön!“ Recht hat er. Um 14:45 Uhr war mein Schwergepäck im Auto und los ging’s zur Grenze… man fährt etwa drei Stunden und sie macht um 18 Uhr dicht.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Schilder vorher nicht da waren, ob man halt einfach immer wieder neue Dinge wahrnimmt, wenn man eine Strecke zum wiederholten Mal fährt – oder ob ich doch noch den vor wenigen Wochen auf arte gesehenen Film über den Völkermord in Ruanda 1994 „Als das Morden begann“ im Hinterkopf hatte und es mir deswegen auffiel. Warum auch immer, alle 50m schien ein Schild in Landessprache zu stehen, auf dem das einzig für mich deutbare Wort „jenoside“ war, was ich als Abkupferung des französischen „génocide“ = Genozid/Völkermord interpretiert habe. Als ich den Film gesehen habe, hatte ich mich noch gefragt, inwieweit da wohl Aufarbeitungen über die im Film dargestellten öffentlichen „Tribunale“ stattfinden oder ob man eher darüber schweigt.

Was den Zeitplan anging, schien sich alles gegen uns verschworen zu haben – an der Strecke waren mindestens 20 Polizeikontrollen und eine hielt uns dann auch an, obwohl wir sie früh gesichtet und auf unter 50 km/h abgebremst hatten. Aber diese dicken Landcruiser hört man schon von weitem durch die Gegend röhren. Da kamen wir mit einer Verwarnung davon… nur um dann in eine der vielen Großbaustellen der Strabag an der Strecke zu geraten. Um 17 Uhr. Ellenlanger Rückstau, an einer Stelle, wo wir noch etwa 45 Minuten bis zur Grenze gehabt hätten. In der Ferne der in aller Gemütsruhe vor sich hinarbeitende Bagger… „Das ist Matteos Baustelle,“ sagte der Fahrer – ein ehemaliger Mitarbeiter von uns, der nun wieder in der freien Wirtschaft tätig ist. „Ruf ihn doch an und sag ihm, dass wir durch müssen,“ sage ich eher als Scherz und er tut’s tatsächlich, aber leider war Matteos Handy abgestellt. So kam es dann, dass wir den kongolesischen Grenzposten erst um 18:02 erreichten. Aus Ruanda raus, aber noch nicht im Kongo drin. Uns selbst ließ man noch rüber, aber das Auto nicht mehr. Die 50,5 kg Gepäck plus Handgepäck und das im deutschen Laden in Kigali in Massen gekaufte Brot durften wir auch mitnehmen. So saßen wir da und mussten abgeholt werden. Das dauerte über eine Stunde, so dass es die Zöllner zum Anlass nahmen, sich von mir jedes mitgeführte Stück einzeln zeigen und erklären zu lassen. Es war eine halbe Filiale der Kette mit den kleinen Preisen…

Irgendwann kamen wir dann doch an und haben seitdem gut durchgezogen, um die Übergabe meiner Kollegin inkl. eines Monatsabschlusses, einer Abrechnung und noch so manch anderen netten Dingen dann letztendlich ohne last-minute Nervenzusammenbrüche vor der Abreise am 12.03. über die Bühne zu bringen.

Dieser Monatsabschluss hatte es in sich, denn es war an der Zeit, die Schulgebühren für 750 Ex-Kindersoldaten, denen im Rahmen eines unserer Projekte im Gebiet von Walikale und Lubutu die Grundschulbildung ermöglicht werden soll, einzubuchen. Jede einzeln. Aber auch das kann einen gewissen Reiz haben, wie ich bald feststellen konnte. Ich fing an, etwas mehr darauf zu achten, als ich auf einmal zwei Schüler namens François Ramazani abzurechnen hatte, gleiche Schule, offenbar gleicher Jahrgang. Da war ich ein bisschen skeptisch, ob das auch mit rechten Dingen zuginge und zog den lokalen Admin Kambale zu Rate. Die Unterschriften der Eltern waren verschieden und hinterher stellte sich dann auch raus, dass der eine doch zwei Klassen höher war. Aber so viele Ramazanis… insgesamt waren mir bestimmt 20 untergekommen, dann auch ein Ibrahim Bin Irgendwas, Saidi Omari, viele Alis und Masudas… das sah mir doch sehr nach einer muslimischen Enklave aus. Kambale bestätigte das: im Gebiet um Lubutu seien viele Nachfahren einer Gruppe muslimischer Sklaven ansässig, die dort auf dem Weg nach Kindu (siehe Karte im vorherigen Eintrag) „hängen geblieben“ seien. Andere wiederum heißen Dieu Merci (Gott [sei] Dank) und auch Menschen, die nach Wochentagen oder ähnlich benannt werden, findet man nicht nur bei Robinson Crusoe: eine Dimanche (Sonntag) war dabei und ein Janvier (Januar). Obwohl letzteres wohl auch der französischer Xavier sein könnte? Bei dem Sechstklässler Koloso Salimini fragte ich mich, ob der wohl eine sprichwörtlich schwere Geburt war und Elvis (Mwamba Kasonga) lebt auch noch. Selbst im Ostkongo hält das Englische Einzug, wie Colin Ndjakesemo zeigte und berühmte Persönlichkeiten werden überall zur Namensgebung herangezogen, mein Favorit: Lotemongoy Michel Platini. Nein, mir ist eigentlich nie langweilig.

Am 08. März war der internationale Tag der Frauen, aber wie immer wird mir das nur im Ausland bewusst und wenn sich dann diverse ehemalige Kollegen aus Afghanistan wieder melden um mir zu „Meinem Tag“ zu gratulieren… und ich immer blöd frage „Welcher Tag?“ Auch im Kongo ist das ein großer Akt, aber die Art, wie man ihn begeht, könnte von der afghanischen nicht weiter abweichen (langweilige Reden in steifer Atmosphäre): hier ist Karneval. Frauen finden sich in Gruppen zusammen und kleiden sich in extra für den Anlass angefertigten „Kostümen“ gleich, man marschiert durch die Stadt (und hört wohl ebenfalls mehr oder weniger interessante Kundgebungen), aber danach „nimmt man noch ein Glas“ – oder auch mehrere. Hier ist Stimmung angesagt und die Männer können sich auch ein zur Gruppe passendes Hemd schneidern lassen und dabei sein. Wir haben allerdings leider einen vollen Tag im Büro geschoben.


Admin-Office und angrenzende Örtlichkeiten in Goma. Kann man die Elefanten erkennen?

Den Vulkan habe ich schon wieder unglaublich leuchten sehen, aber die ersten Fotoversuche davon waren nicht von Erfolg gekrönt – einfach alles schwarz. Und man kann ihn aus Sicherheitsgründen leider weiterhin nicht besteigen. Sollte sich das bis Anfang Mai nicht ändern, werde ich wohl noch mal wiederkommen müssen 😉 Man hat mir erzählt, drei Flugzeuge seien bereits in den Krater gestürzt und in der Folge Teil der brodelnden Lava geworden, also ist ein Besichtigungsflug, würde er sich organisieren lassen, wohl auch keine Alternative… Aber ich rufe auf zur Einsendung von Ideen, wissenschaftlich oder nicht, warum die Flugzeuge wohl gerade da abgestürzt sein könnten – dazu kann man wunderbar die Kommentarfunktion unten benutzen 😉

„Wat macht ihr denn noch heute Abend?“ – „Och, wir gucken noch ein, zwei Folgen ‚Sex in the City’ bei Tee und Pastis.“ – „Sekt in de City? Geht ihr noch aus?“ So manchen Abend haben wir uns mit unzähligen Folgen von „Sex and the City“ vertrieben – was mir im Fernsehen ja mangels passenden Senders und Abwesenheit verwehrt blieb… was für ein Verlust! Andererseits ist es mir ein Rätsel, wie man sich von Woche zu Woche schleppen konnte, bis zur nächsten Folge.

So, nun auf zu einem Abend mit Geschichten, die mit „Da haben wir uns einen Container Bier aus Deutschland kommen lassen…“ beginnen oder so Sätze wie „Wat soll ich denn am Grand Canyon, kannste mir dat mal sagen? Ich habe den Queen Elisabeth Park gesehen!“ oder „Sehen wir dat doch mal so, einfach ‚mal schnell’ ne e-Mail schreiben. Ja. Wie lange würdest du denn brauchen, um ein LKW-Getriebe auseinander zunehmen?“ enthalten.

Bis bald!

Ein Kommentar zu “Sekt in de City?

  1. Hi Barbara, hier ist Charly (oder Charlie, wenns französisch sein soll, smile) Katja’s Mann (ExPilot). Es gibt mehrere mögliche Ursachen, die solche Abstürze ausgerechnet im Vulkankrater wahrscheinlicher werden lassen:
    1. Verbrennungsgase (auch CO2) werden durch die aufsteigenden Warmluftmassen in die Höhe geschleudert. Man wird schlagartig bewußtlos und merkt zumindest nix mehr vom Einschlag, grins…
    2. Die eben schon genannten thermischen Aufwinde und auch Windscherungen am Kraterrand können ein Kleinflugzeug mit Leichtigkeit auf den Rücken legen.
    3. Sightseeing-Flüge bergen das zusätzliche Risiko, daß die entsprechenden Piloten unter Druck stehen, spektakuläre Ansichten und möglichst tiefen Überflug zu demonstrieren (man will ja schließlich Reklame für weitere Kunden machen und besser dastehen als die Konkurrenten), also deutlich höheres Risiko einzugehen.
    4. Ich gehe mal davon aus daß niemand so wahnsinnig ist, durch dicke Vulkanschwaden zu fliegen. Falls doch, kann er sich plötzlich locker in 70° heißer Luft befinden, und die feinen Rußpartikel setzen ihm den Luftfilter zu, mit den üblichen Folgen eines Motorausfalls.

    Wir freuen uns schon riesig darauf, Dein bisheriges Heim zu übernehmen!

    Liebe Grüße
    Charly und Katja

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