Pardong, sche schärsch ün bongk

Nun bin ich also doch wieder im Internetcafé gelandet – aber das macht die Hitze. Am Sonntag waren es noch um 18 Uhr 38 Grad, heute ist es etwas besser. Da setzt die sofortige Verwelkung ein. Aber was beschwere ich mich: eben las ich dann auch mal wieder Nachrichten und es könnte ja viel schlimmer kommen, siehe Waldbrände in Griechenland.

Aix-en-Provence liegt nun hinter mir und am Ende ging wirklich alles viel zu schnell. Und vorab müssen wir mal dringend mit einem Vorurteil aufräumen, von wegen der „Kommst du heut nicht, kommst du morgen“-Mentalität unserer italienischen Miteuropäer. Ich habe an beiden Tagen mit Conchetta und Giovanni mehrfach erleben müssen, als letzter am vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht zu sein – wenn auch natürlich immer noch pünktlich 😉 Das sind Ereignisse, die passieren sonst einfach nicht.

So sind wir dann am Samstag aufgebrochen, Richtung Camargue – und offenbar mit Aussicht auf das heiße Wochenende halb Frankreich mit uns. Erstmal ans Meer, dachten wir uns und steuerten Saintes-Maries-de-la-Mer an… was für ein Schock: gelandet am Ballermann der Camargue. Bis auf die Tatsache, dass man sich architektonisch eher in Spanien vorkam und bis auf die Kirche würde ich sagen, gibt es keinen Grund, den Ort als solchen aufzusuchen, geschweige denn nochmal. Sand gesammelt, abgehakt. Aber vielleicht ist uns ja auch das wahre SMdlM verborgen geblieben. Hotelzimmer gabs auch keine mehr, also haben wir uns nach Arles zurückgezogen. Dort gab es das gleiche Problem, denn am letzten Wochenende endete u.a. ein großes Festival an „Römerfilmen“, aufgeführt in der antiken Arena – leider Freitag mit GLADIATOR schon der letzte Streifen… das wäre doch wirklich was gewesen in der Kulisse. Letztlich sind wir dann etwas außerhalb noch fündig geworden (also, für 300 Euro die Nacht wäre auch in Arles noch was zu haben gewesen…).

Ein erneuter Versuch mit der Camargue hat uns am Folgetag die Salins-de-Giraud beschert, die großen Salzgewinnungsanlagen – soweit das Auge reicht – auf dem Weg an den Strand Piemancon. Das war schon wesentlich besser als SMdlM – vollkommen ohne jede Infrastruktur, keine einzige Eisbude… gar nichts. Allerdings auch kein Baum und als es kurz vor 13 Uhr war, waren die Temperaturen nicht mehr auszuhalten… man kann ja schlecht stundenlang im Wasser stehen. Und bei diesen Temperaturen wollten wir auch keinen Pferderücken mit unserer Anwesenheit beglücken – das macht man nämlich am allerstilvollsten zur Erkundung der Gegend. Der geordnete Rückzug folgte: in das ausgefallene Restaurant „La Chastagnette“. Woraufhin nun unwiderruflich klar ist, dass mein Budget vor Neujahr keine weiteren Restaurantbesuche mehr vorsieht.

Nach einer kurzen Siesta im Hotel, denn das braucht der gemeine Italiener und dem ist der gemeine Deutsche ja auch nicht grundsätzlich abgeneigt, machten wir uns erneut auf den Weg, dieses Mal in Richtung Nordosten, ins Gebiet der Apilles, wovon wir uns temperaturtechnisch eine deutliche Abkühlung um mindestens zwei Grad erhofften. Auf dem Weg zum Ort Les-Baux-de-Provence machten wir noch Halt bei der von Alphonse Daudet, einem berühmten Autor, oft beschriebenen Mühle. Die Hitze sagte uns nach erfolgreicher Besteigung des Hügels jedoch: Foto und weg. Und das war auch gut so, denn was hat uns Les-Baux-de-Provence begeistert – dieses Schätzchen wäre vollkommen an uns vorbeigegangen! Es ist ein Ort, der, wie soll ich es beschreiben, auf einer Art aus der Landschaft ragenden Kalksteinkliff gebaut wurde. Ganz zuoberst eine riesige Burganlage, deren Ruinen wir mit Hilfe eines sehr guten Audio-Guides besichtigt haben. Dafür muss man sich aber wohl mindestens 2 Stunden Zeit nehmen und die hatten wir nicht mehr ganz. Von der Südspitze der Festungsanlagen hat man einen überwältigenden Blick auf die Kulturlandschaft in der Ebene (u.a. auf die endlosen Felder mit uralten Olivenbäumen). Unterhalb der Burg dann das dazugehörige Dorf, komplett wie im Mittelalter, Anlage unverändert, nur liebevoll renoviert. Passend auch die festungsähnliche Kirche – ich glaube, ich habe noch nie eine Kirche mit so wenigen Fenstern gesehen, ein wahrer Bunker.

Am Montag trennten sich dann die Wege meiner Wenigkeit und meiner Mitreisenden. Die beiden wollten sich so langsam über die Côte d’Azur Richtung Rom aufmachen um vor dem Ferienverkehr am Wochenende dort anzukommen. Ich hatte mich entschieden, noch einen Tag in Arles zu verbringen – die dort vorhandenen römischen Bauten (eine riesige Arena, ein Amphitheater, die Konstantinthermen) waren für die Römer von geringerem Interesse – „das gibt’s bei uns besser!“ Aber fasziniert war ich dann mehr von „Les Alyscamps“, was ich für einen jahrhundertealten Friedhof hielt. Und irgendwie ist es das auch, aber dann doch anders. Es sind unzählige Sarkophage, einer am anderen, aufgereiht entlang einer alten mit Platenen bestandenen römischen Straße, Teil des Jakobswegs, den ich somit nun auch schon zu 0,34% oder so gegangen bin 🙂 Diese Praktik war wohl weit verbreitet… aber wenn ich mir das vorstelle, so zu Hochzeiten des Römischen Reiches, rush hour auf der Via Aurelia und statt Leitplanken besetzte Sarkophage… schon komisch, oder? Sie dienten aber wie so einiges mehr in Arles Vincent van Gogh als Motive.

Also, wenn ich nochmal in die Provence kommen sollte, muss das unter einem bestimmten Aspekt geschehen. Hier gibt es soviel, und so viel verschiedenes, dass man so ein bisschen kirre wird und vor lauter Möglichkeiten gar nicht mehr weiß, was man machen soll. Also sollte man sich ein Thema raussuchen: Römer, Mittelalter, berühmte Maler aus und in der Provence, provencalisches Kunsthandwerk, architektonische Zeitreise, Naturparks – was auch immer.

Dass ich wiederkommen muss, ist allerdings schon klar, denn ich habe es nicht nach Avignon geschafft. Und das liegt an Nimes. Der Plan war: morgens nach Nimes, nachmittags weiter nach Avignon, dort übernachten, dann am folgenden Tag wenn „nötig“ weiter Avignon und am späten Nachmittag nach Marseille. Nun, es fing gut an: der Überlandbus kam pünktlich und auf der einstündigen Fahrt nach Nimes konnte ich u.a. konstatieren, dass fast jedes Kaff eine eigene Stierkampfarena hat (noch so ein Thema). In Nimes angekommen liest man als erstes riesige Plakate: fantastische Neurenovierung des Bahnhofs – sehr gelungen…. bis auf die Tatsache, dass die Schließfächer aus Sicherheitsgründen abgebaut wurden. So stand ich da mit meinem dicken Rucksack, 35 Grad und klatschnass geschwitzt. Die Idee, den Rucksack bei einem der Hotels in Bahnhofsnähe unterzustellen, hatten vor mir schon einige: an JEDER Tür ein Schild, dass man kein Gepäck zwischenlagern könne. Gott, was hab ich in mich hineingeflucht. Für Nimes und Avignon hatte ich das Treffen mit Roy platzen lassen! Dem Handy sei Dank erreichte ich Roy bei einer Wanderung in der Nähe von Aubagne und fragte, ob ein spontanes Treffen am gleichen Abend noch möglich sei – das war es, also auf nach Aubagne, oder vielmehr Rocquevaire, wo er mit seiner Frau und zwei Jugendlichen bei einer Freundin und deren Kindern untergekommen war. Und das war ein Glück! Ein herrliches Haus in den Bergen der Provence, mit Pool und tollem Abendessen bei netter Unterhaltung. Sämtliche Mitglieder sind mindestens dreisprachig, Französisch, Englisch, Holländisch, tendenziell mehr – DAS ist faszinierend. Am nächsten Morgen sind alle außer der Hausherrin und mir schon um 6:30 Uhr nach Belgien aufgebrochen… ich dann ein paar Stunden später nach Marseille, von wo ich gerade in ein, wie es den Anschein hat, Internetcafé in Tunis oder Marrakech gebeamt wurde. Von der Stadt mache ich mir noch einen Eindruck, später mehr dazu. Morgen Nachmittag werde ich noch eine weitere „Kollegin“ aus dem Sprachkurs treffen, eine Ungarin namens Zsuzsa, die Marseille lieber nur in Begleitung aufsuchen wollte. Die Vorurteile die Stadt betreffend scheinen also noch zu bestehen, mal sehen, wie lange sie halten.

Viele Grüße!
Barbara

P.S.: Solche Glanzleistungen wie den Titel dieser Mail findet man im Anhang seines Reiseführers, wenn man über drei Stunden in Nimes am Bahnhof hockt und die „Le Monde“ schon zweimal von vorne nach hinten und zurück gelesen hat…

Ein Kommentar zu “Pardong, sche schärsch ün bongk

  1. Oh Mann. Meine nächsten 5 Urlaube sind doch schon gebongt. Jetzt muß ich auch noch in die Provence. Sehr schön beschrieben. Grüße Hering

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