Nach dem vergangenen Wochenende weiß ich nun auch wieder, warum man nach Frankreich fährt. Man fährt wegen des Dufts von Lavendel und der Kiefernwälder an einem heißen Sommertag. Man fährt wegen einer Auswahl von grob geschätzt 120 Käsesorten in einem stinknormalen Supermarkt – mal ganz abgesehen von den Märkten, die neben Käse, Gourmet-Salamis und Oliven in allen möglichen Variationen so ziemlich alles zu bieten haben, was man jemals brauchen könnte. Man fährt wegen der Konfitüren in traditionellen und avantgardistischen Geschmacksrichtungen, die man am liebsten mit dem Esslöffel angehen möchte. Man fährt, um sich nichts besseres vorstellen zu können als ein frisches Baguette und ein Schüsselchen Oliven dazu. (Ja, ich mag jetzt Oliven!) Man fährt wegen der Backwaren im allgemeinen (Brot, nicht Baguette, ausgenommen) – es tut mir leid, aber da kann kein mir bekanntes Land mithalten. Seien es die Schoko-Croissants in Luxusausstattung mit Marzipan, Mandeln und Puderzucker oder die kleinen Frucht-Törtchen. Erschreckt musste ich feststellen, dass man dieses Land eigentlich nur mit dem Auto bereisen sollte, denn im Flugzeug kann ich ja nun so gut wie nichts mitnehmen! Andererseits… vielleicht ist das auch ein Segen, denn könnte ich nach Gusto einkaufen, wäre mein Konto bereits seit Tagen überzogen. Dazu kommen dann noch vortrefflich ausgestattete Schreibwarenläden und Bastel-Ausstatter – ich versuche verstärkt, diese zu umgehen, aber es fällt schwer. Dass es hier Taschenbücher ab 2 Euro zu kaufen gibt, ist auch nicht gerade hilfreich.
Weshalb man jedoch auf keinen Fall nach Frankreich kommt, das sind die zahlreichen Tretminen der Zivilisation – das ist hier noch schlimmer als in Brüssel, habe ich den Eindruck. Der Hund ist des Franzosen liebstes Tier und der darf sich immer und überall seiner Abfallprodukte entledigen. Was besonders schön ist, wenn es sich dabei mehr um eine Flüssigkeit handelt… Aber, klopf auf Holz, noch konnte ich jeden Kontakt vermeiden.
Aber um näher auf das vergangene Wochenende einzugehen: ich war im Luberon. Mal wieder unterwegs mit Georges ging es auf eine Tour der kleinen Dörfchen. Die Namen kamen mir alle so bekannt vor – ich glaube, das liegt an meinem neu entdeckten Interesse am Radsport… Den Mont Ventoux mit seinem immer weißen Höhenrücken (Kalkstein, kein Schnee) in der Ferne als ständigem Begleiter ging es zuerst nach Lourmarin. Dort hat der Schriftsteller Albert Camus seine letzte Ruhe gefunden. Der Zustand des Grabs ist bemitleidenswert, aber es war allgemein interessant, den Stil der Grabdekoration und -pflege zu begutachten. Vom Schloss des Städtchens konnte man nur die Außenanlagen begutachten, deswegen ging es schnell weiter. Nächste Station: Apt. Es war Samstag, der Tag des Wochenmarkts. Für ein riesiges Gewimmel an Ständen und Menschen hatten wir leider nur anderthalb Stunden Zeit – ich hätte mindestens 4 gebraucht, aber wie sich herausstellte, waren andere bereits gelangweilt. Den Markt würde ich also gerne nochmal besuchen und außerdem das Städtchen mal an einem normalen Tag ansehen, es schien mir nämlich auch nicht unattraktiv zu sein.
Von Apt dann gleich weiter nach Roussilon, für mich das Highlight des Tages. Erstens wegen des 1.200 Einwohner zählenden Städtchens selbst, mit seinen Häusern in hell leuchtenden Fassaden in warmen Ockertönen von hellgelb bis rostrot, dazu hellblaue Fensterläden. Es war mal wieder ein Tag der Fotografie. Aber das wichtigste für mich: der Ockerweg im ehemaligen Ockerbruch. Dort wandelt man durch wirklich alle Schattierungen, die Ocker wohl haben kann, durch eine bewaldete Abbruchlandschaft.
Unser letzter Halt an diesem Tag war Gordes – 2.000 Einwohner, und schon das wird im Reiseführer als „Flecken“ bezeichnet… für mich sind das kleine Städte mit all ihren Geschäften usw. Dieser Ort aber ist total anders als Roussilon, hier ist jedes Gebäude aus hellen Kalksteinen, also mehr so gräulich weiß und gar nicht mehr warm. Ein riesiges Renaissanceschloss dominiert die Szene, schmalste Gässchen mit halbrecherischem Pflaster der allerersten Stunde, wie es scheint. Sehr abgelegen gibt es in und um Gordes auch noch gleich drei Zisterzienserklöster, von deren Existenz wir allerdings nur gehört haben. Dies ist außerdem die Gegend der sog. Bories, einfacher Steinhütten, die in einer traditionellen Bauweise ohne Mörtel aufgeschichtet wurden. Eigentlich wohl nur als Lagerraum und Stallungen, aber in Zeiten der Not auch als Wohnhäuser. Sie sehen wirklich „steinzeitlich“ aus!
Auch in die Kunst des Pétanque bin ich mittlerweile eingeführt, wieder mal Dank Georges, der ein passionierter Pétanque-Spieler ist und in Aix einem Club angehört, auf dessen Areal wir das mal testen konnten – es handelt sich quasi um Boule, die genauen Unterschiede sind mir nebulös, liegen aber irgendwo im Regelwerk. Den meisten war das etwas langweilig, aber ich fand es entspannend unter den uralten, schattenspendenden Platanen ein paar ruhige Kugeln zu schieben und dabei mehr oder weniger dumm rumzulabern. Das dann auch noch im Kreise der Profis, alle über 60, und ein Barbeque im Hintergrund, bei dem es als Vorspeise „escargots“ gab, Schnecken. Das habe ich aber nicht über mich gebracht… Dafür lieber den ausgefallenen Kartoffelsalat von Georges‘ Frau, mit Hering. Den muss ich zuhause mal nachmachen.
Im Straßenbild fiel mir eigentlich gleich am ersten Tag der riesige Anteil an Peugeots/ Renaults/ Citroens auf. Der Anteil der Autos französischer Produktion ist darüber hinaus meiner Meinung nach wesentlich höher als der deutscher in Deutschland, man sieht hier kaum Japaner, jedenfalls nicht als Autos. Dafür eben umso mehr heimisches… Naja, irgendwer muss sie ja fahren.
Eine Steuer auf Schokolade zieht man hier meines Wissens zwar noch nicht in Betracht, dafür sind jedoch die Werbespots für Schokolade, Eis und andere „Snacks“ mit der Warnung versehen „Achtung! Snacken zwischen den Mahlzeiten schadet Ihrer Gesundheit!“ Als ich das im Kino zum ersten Mal nach einer Langnese-Werbung eingeblendet sah, dachte ich zuerst, ich hätte das falsch verstanden. Aber war doch richtig… Im Fernsehen gibt es eine UNMENGE an Spielshows, wer die wohl alle guckt?! Sogar das Glücksrad ist noch im Rennen. Der weibliche Teil der Kursteilnehmer ist sich indes nicht einig, ob der Nachrichtensprecher von TF1, der mit einer Strafe eines Namens leben muss (Harry Roselmack), absolut gutaussehend ist oder ob ihm dafür die Haare fehlen… Egal welches Thema, Hauptsache Verkehrssprache französisch. Wer sich ein eigenes Bild vom glatzköpfigen aber feschen Harry machen und in die Diskussion einsteigen möchte: http://videos.tf1.fr/video/news/
Wenn dieses Mal das Glück mitspielt, werde ich evtl. am Mittwoch oder Donnerstag in Marseille noch Roy treffen, einen ehemaligen Kollegen aus Herat – der gerade mit seiner Frau hier zu Besuch bei Freunden ist. Mal sehen, ob es klappt. Aber eigentlich muss ich dringend noch einen Tag in Marseille unterbringen, denn bislang hat es nur zu einer 2-stündigen Stippvisite mit dem Kurs gereicht. Die Meinungen derer, die der Ein-Millionenstadt schon einen echten Besuch abgestattet haben, gehen sehr weit auseinander… allerdings sagen die meisten, es lohne sich eher nicht. Aber das muss man mal selbst in Augenschein nehmen. Ich fand die Stippvisite eher vielversprechend.
Es gibt Ermüdungserscheinungen zu konstatieren. So habe ich mich gestern Abend in einem Buchladen an der Kasse mit „Bon revoir“ verabschiedet, mich auf „Au soiree“ verbessert und dann entschieden, dass ich lieber einfach gehe…
Selbst da wir nun eben unsere Zertifikate erhalten haben, ist das „Gehen“ noch nicht so ganz in Sicht, denn ein paar Tage bleibe ich ja noch in der Region. Nachdem ich mein Appartement leider nicht noch eine weitere Woche anmieten konnte (bereits vergeben, aber wen wundert’s?!) und das billigste Hotel mit Toilette auf dem Flur und Sammeldusche im Keller 43 Euro pro Nacht kosten sollte, habe ich mich nach anderen Alternativen umgesehen und werde nun am morgigen Samstag mit „meiner Frau in Rom“ und ihrem Freund in die Camargue aufbrechen. Letzterer ist vor ein paar Tagen aus Neapel gekommen, und wir haben bereits interessante Unterhaltungen auf Französisch und Italienisch geführt. 😉 Er ist ein ruhiger „Stage Manager“ beim Theater – da fehlt mir die deutsche Vokabel – und ich bin mal gespannt, wie es sich so dritt reisen lässt… Die Wetteraussichten sind jedenfalls sehr gut, am Sonntag 33 Grad. Ich bin gespannt!
A bientôt!
Barbara